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Gewalt oder nicht: Das ist hier die Frage.

Die Story von Requiem spielt mit den moralischen Dilemmata, denen man sich in Extremsituationen stellen muss. Prinzipiell ist das toll in einem Spiel, in dem einem die Wahl gelassen wird, wie man voranschreitet. Aber halt nur teilweise… Das Problem an der ethischen Seite des Spiels ist die Tatsache, dass man zum einen teilweise zu Gewalt gezwungen wird, zum anderen aber auch wenig Mitgefühl für seine Gegner entwickelt und man für aggressives Spielen belohnt wird.

Denn die Idee hinter den Dilemmata ist, dass man ja meist die Wahl hat, ob man Gegner tötet, oder an ihnen vorbeischleicht. Bringt man doch mal einen Gegner mit einem gezielten Wurf aus der Schleuder um oder hetzt die Ratten auf ihn, so kommentiert euer Begleiter Lucas das Geschehen stets mit Sätzen wie „Hat das wirklich sein müssen?“, „Warum hast du ihn getötet?“, „Sie müssen nicht alle sterben, Amicia!“. Gleichzeitig macht sich unsere Haupt-Protagonistin selbst auch Gedanken und hadert mit Gewissensbissen.

Das wird aber sehr schnell relativiert, wenn wir uns plötzlich in einer Art Zwischensequenz befinden, in der wir eine Welle an Gegnern mit unserer Steinschleuder töten müssen (was echt nervig sein kann, da das Spiel nicht für actiongeladenes, präzises Schießen ausgelegt ist). Oder wenn man sieht, dass es einfach hilfreicher ist, Gegner niederzustrecken, die einem dann nicht mehr im Weg sind, und man überhaupt keine Nachteile von einem nicht-pazifistischen Run hat.

Gleichzeitig hat Requiem auch noch ein Erfahrungssystem, das variabel funktioniert und auf euer Verhalten reagiert. Spielt ihr besonders aggressiv, bekommt ihr noch stärkere Fähigkeiten um Gegner niederzustrecken (der Gewalteinsatz wird also gefördert). Und sogar wer sich für Stealth entscheidet, der wird am Ende sogar ebenfalls mit einer Fähigkeit belohnt, lautlosere Kills auszuführen. Das alles ist an und für sich sehr cool, wenn man aber gleichzeitig bei jedem Kill von Amicia und Luca Vorwürfe gemacht bekommt, fühlt man sich aber irgendwie in der Zwickmühle: Was wollt ihr eigentlich von mir?!

Wunderschön und doch begrenzt

A Plague Tale: Requiem ist klar auf Szenerie, Story und viel Atmosphäre ausgelegt. Hier muss man schon sagen: Das schaffen die Entwickler wieder sehr gut. Die Umgebungen sehen einfach fantastisch aus. Man hat komplett auf einen HUD verzichtet und bekommt lediglich bei der Waffenauswahl ein kleines Menü angezeigt und Gegner, die einen anschauen werden mit leuchtenden Streifen am Rand des Bildschirms gekennzeichnet. Die fehlenden Informationen auf dem Bildschirm sorgen dafür, dass man sich noch stärker in das Spiel und seine Umgebung hineinversetzt – das ist sehr positiv (man betrachte unsere authentischen Screenshots als Beweis dessen).

Auch sind die Synchronsprecher wieder 1A. Die Stimmen klingen absolut authentisch und ihr Lachen, Weinen und ihre Panik bringen Leben in das Game. Hier wurde richtig gute Arbeit geleistet und in wunderschönem elegantem Britisch-Englisch begleiten euch die Protagonisten durch das mittelalterliche Setting.

Jedoch ist das Spiel auch grafisch begrenzt. So wirken die Ratten, die sich um einen herumtummeln, zwar beängstigend, jedoch auch manchmal ungewollt komisch, wenn sich durch die vielen Animationen, das viele Kriechen und schnelle Laufen, mal eine Ratte unter der anderen befindet, rausspringt, plötzlich links und rechts landet – alles wirkt da allzu chaotisch und teilweise wie Glitches, wenn man etwas zu genau hinschaut. Auch fehlt es unseren Protagonisten während des Spielens komplett an Mimik. Die Gefühle werden lediglich über die Synchro hergestellt, schaut man sich die Gesichter an, so bleiben die blank. Dafür sind die Zwischensequenzen gut.

Letztlich stört bei der Atmosphäre auch ein wenig, dass der Spielraum des Games dann meist doch so eingeschränkt ist. Man wird das Gefühl nicht los, dass das Spiel eigentlich mehr Freiraum, wenn auch kein Open-World, bieten sollte, damit man z.B. das Dorf, in dem man anfangs ist, freier erkunden könnte und sich nicht überall künstliche Barrieren befinden. Zwar sorgt die Linearität und das Einengen des Spielraums auch dafür, dass man eben keinen HUD braucht, der einem den Weg zeigt, doch fühlt man sich auch gleichzeitig irgendwie betrogen, wenn man beim „freien“ Erkunden des Marktplatzes einem festen Weg folgen muss oder man sich im „riesigen“ Wald nicht verirren kann, da es nur einen einzigen, klaren Weg hinaus gibt.

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Fazit

Der erneute Weg ins von Ratten verseuchte Mittelalter schafft der zweite Teil der Plague-Tale-Reihe, Requiem, sehr gut. Die Atmosphäre ist beindruckend, die Synchronsprecher fantastisch und die Story spannend und recht lang. Das Gameplay ist mehr oder weniger gleichgeblieben, doch im Vergleich zum Vorgänger sind die Stealth-Passagen deutlich offener und es gibt keine klaren Lösungswege. Das macht es spannender, aber schwieriger. Nicht so ganz glänzen kann das Spiel mit seinen vermeintlichen moralischen Dilemmata, bei denen man Gewissensbisse bekommen soll, falls man Gegner tötet, anstelle sich an ihnen vorbeizuschleichen. Denn im Endeffekt gibt es für einen pazifistischen Run keine Belohnung und das Spiel zwingt einen in bestimmten Passagen dazu, Gewalt anzuwenden.

Nicht zuletzt ist das Spiel sehr linear und bietet nur wenig Freiraum für Erkundung, Geheimnisse oder andere Storylines. Ein erneutes Durchspielen der Story (die immerhin gut 15-20 Stunden dauert) ist somit wenig interessant und der Wiederspielwert gering.

Schlussendlich überzeugt Requiem aber trotzdem durch die gute Atmosphäre und die toll in Szene gesetzte Story. Das Gameplay mag manchmal etwas ungenau und frustrierend sein, doch insgesamt hält das Spiel, was es verspricht. Wer das Setting mag, sollte unbedingt einen Blick auf das Spiel werfen, denn es bietet sehr viel spannende Momente.


Bewertung

Pro

  • Spannende Story
  • Tolle Atmosphäre
  • Sehr gute Synchronisation
  • Komplexeres Gameplay als Innocence
  • Offenere Stealth-Passagen
  • Recht lang (15-20 St.)

Contra

  • Keine Mimik bei Charakteren ingame
  • Meist doch zu linear
  • Fragwürdige moralische Dilemmata
  • Geringer Wiederspielwert

Grafik 9 von 10
9/10
Sound 10 von 10
10/10
Story 9 von 10
9/10
Umfang 8 von 10
8/10
Gameplay 7 von 10
7/10
Spielspaß 8 von 10
8/10
XBU-Silver-Award
8

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