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Frogwares ist mal wieder so weit und zeigt uns ein neues Sherlock Holmes Game. Im titulierten „Chapter One“ (was auf weitere Episoden schließen lässt) verpasst man unserem allseits bekannten Detektiven einen jüngeren Anstrich, bietet mit „Jon“ einen Freund vor John Watson an und fordert unsere Kriminalfällelösefähigkeit in einer offenen Welt heraus. Wir haben den Titel angespielt und verraten euch in unserem Review, was wir davon halten.

Mit der Zeitmaschine in eine recht robotische Open-World

Wer den gewieften, ruhigen, aber schon etwas nerdigen Sherlock Holmes kennt, wird beim Spielen des neuen Teils etwas verwirrt sein. Denn unser Sherlock kommt als „Sherry“ daher, wirkt wie Anfang 20 und hat auch nicht seinen allseits bekannten Mediziner, Dr. Watson, an seiner Seite, sondern einen anderen Freund namens Jon. Dieser Hipster par excellence steht mit frechen Kommentaren an unserer Seite, und, um nichts zu spoilern, wollen wir es mal so ausdrücken: Nach und nach erfahren wir, dass er nicht der zu sein scheint, wie man meinen könnte…

Jedenfalls muss man diesen neuen Sherlock erst einmal verdauen. Es wirkt auch etwas seltsam, denn der junge Sherry lebt zwar offensichtlich im viktorianischen Zeitalter, trägt aber einen sehr modernen, Dunkellila/Indigo Dreiteiler mit schmalem Revers, einem cool nach oben gekrempeltem Ärmel und Kettenanhänger wie es die Punk- oder Skaterszene Ende der 1990er und Anfang 2000er trug. Auch der Hipster Jon, mitsamt seinem offenen Kragen, seinen Hosenträgern, seinem Haarschnitt und seiner Attitüde wirkt in der Zeit unpassend.

Die Welt an sich hingegen ist in sich stimmig. Erstmals gibt es eine Open-World in der Sherlock-Holmes-Reihe, die aber nur auf den ersten Blick wirklich einem „open world“ ähnelt. Cordona, so der Name der Inselgruppen, ist allem Anschein nach eine erfundene britische Kolonie im Nahen Osten. Es gehen Türken und Araber in den Gewändern des 19. Jahrhunderts umher, wie auch britische Polizisten und Adelige aus dieser Zeit. Die Welt ist sehr belebt, allerdings rein robotisch. Es ist eigentlich unfassbar, wie primitiv alle NPCs programmiert sind, denn selbst ein Assassin’s Creed aus dem Jahre 2007 schaffte eine Welt, in der man doch etwas mehr Einfluss auf die Menschen hatte. Stößt man in Cordona Passanten an, grummeln die nur kurz und bleiben stehen. Menschen, die Kisten tragen, lassen sie nicht fallen, Polizisten oder Gangster werden nicht verärgert, nein, oftmals blockieren diese NPCs einem dann den Gang. Das ist absolut unauthentisch und fühlt sich künstlich an – abgesehen davon kann man mit so gut wie gar nichts in der Umwelt interagieren. Mehr als schade.

Zwischen Kombinieren und blankem Rätseln

Das Gameplay in Sherlock Holmes ist, wie man es von der Serie kennt, recht simpel. Fall für Fall entdeckt man neue Fakten, kombiniert Hinweise im „Mind Palace“, rekonstruiert Tathergänge in einer recht einfachen Art. Das Rätsellösen ist dabei meist recht einfach, viel mit Lesen von Hinweisen verbunden, insgesamt aber gelungen. Denn was Chapter One anders als bisherige Games macht: Es hält einen absolut nicht an der Hand. Es gibt keine klare „Mission“, es gibt offene Fälle mit Hinweisen, einige haben rote Marker dabei, die kennzeichnen, dass man hier noch einen Ort finden muss oder eine bestimmte Person mit einem Hinweis ausfragen muss – was man aber genau in dieser offenen Welt tun muss, ist nicht klar. Diese Offenheit ist erfrischend anders. Es zieht das Spiel etwas in die Länge, macht es aber gleichermaßen spannend, da man nicht ständig im HUD erinnert wird „befrage diese und jene Person“. Es lässt einen optionale Fälle erkunden, lässt einen öfter mal lange rätseln, weil man den einen entscheidenden kleinen Hinweis an einer Stelle übersehen hat. Das macht es aber gleichermaßen spannend.

Dass einen das Spiel nicht an der Hand führt und es einem nicht immer ganz so leicht macht, merkt man auch an der Hülle und Fülle der Spielmechaniken. Man kann ab und zu Gespräche belauschen und muss die richtigen Informationen auswählen, mal gilt es, sich richtig zu verkleiden, mal muss man bei Hinweisen heranzoomen, ab und an muss man auch seinen „sechsten Sinn“ aktivieren und versuchen, Dinge nachzustellen, was aber wiederum nur funktioniert oder angezeigt wird, wenn man den entsprechend richtigen Hinweis ausgewählt hat. Manchmal muss man auch ganz „banal“ aus einer Zeugenaussage heraus eine bestimmte Straße auf der Map finden und dann zu diesem Ort gelangen. Hier ist schon reichlich Abwechslung geboten.

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Fazit

Mit einem jüngeren Charakter und in einer Open-World lässt man Sherlock Holmes wieder umherrätseln. Chapter One nimmt einen nicht an der Hand und lässt einem viele Wege offen beim Lösen der verschiedenen Fälle. Das ist frischer Wind und tut gut – das Rätseln wirkt somit nicht mehr so banal, wie es einst mal der Fall war. Doch kann Chapter One auch nicht vollends überzeugen. Vor allem der Technik-Aspekt legt dem Spiel mittlerweile einige Steine in den Weg. Charakteranimationen ohne Gesichtsausdrücke sind bei emotionalen Kriminalfällen und Zwischensequenzen ein Unding, krasse Grafikbugs stören die Atmosphäre und die Open-World ist dermaßen primitiv, dass selbst ein Assassin’s Creed aus dem Jahr 2007 diesbezüglich interaktiver war.

Letztendlich macht Sherlock Holmes: Chapter One aber Spaß. Das Erkunden der sehr schön entworfenen Inselstadt Cordona ist nett, das Lösen der Kriminalfälle ohne Stress eine entspannte Sache – da kann man die unnötigen Kampfpassagen auch mal ignorieren. Fans des Detektivs müssen sich an eine mutige, dafür aber neue und frische Story mit einem etwas anderen Hauptcharakter gewöhnen, werden aber aufgrund der insgesamt netten Darstellung und spannenden Fällen nicht enttäuscht sein. Wir können das Spiel Rätselfans auf alle Fälle empfehlen.


Bewertung

Pro

  • Neuer Holmes, neue Story
  • Viele verschiedene Gameplay-Mechaniken
  • Open-World hält einen nicht an der Hand
  • Gute Synchronisation
  • Spannende Kriminalfälle

Contra

  • Neues Setting ist etwas speziell
  • Unglaublich altbackene Animationen
  • Sehr viele Grafik-Bugs
  • Unnötige Kampf-Passagen
  • Teils etwas langweiliges Aufdecken von Fällen
  • Open-World, mit der man fast gar nicht interagieren kann

Grafik 4 von 10
4/10
Sound 8 von 10
8/10
Story 8 von 10
8/10
Gameplay 7 von 10
7/10
Umfang 7 von 10
7/10
Spielspaß 7 von 10
7/10
7

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