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Die Entwickler von Forza Motorsport, Turn 10 Studios, befinden sich in einer merkwürdigen Lage. Dies ist jetzt das achte Spiel einer Serie, die einst ein Aushängeschild für Xbox war. Und doch kehrt es nach einer untypischen sechsjährigen Pause zurück, um festzustellen, dass sein spaßiger jüngerer Ableger, Forza Horizon, das Rampenlicht gestohlen hat. Dieser Prozess war bereits im Gange, als Forza Motorsport 7 im Jahr 2017 herauskam – das ist wahrscheinlich der Grund, warum Microsoft eine längere Pause für Motorsport als angenehm und notwendig empfand. Aber in der Zwischenzeit haben die beiden bisher stärksten Horizon-Titel ein enormes neues Publikum auf Game Pass und darüber hinaus gefunden. Das bedeutet, dass sich Forza Motorsport einer neuen Generation von Forza-Fans, die mit den ungezügelten Open-World-Autoreisen von Playground Games aufgewachsen sind, von neuem erklären muss.

Forza – eine Marke mit Geschichte

Die gute Nachricht ist, dass Forza Motorsport (ganz ohne Nummer oder Untertitel) bereit ist, der Konkurrenz Forza Horizon mit Selbstvertrauen entgegenzutreten. Es gibt weder Hinweise auf eine Identitätskrise beim Reboot noch auf die verzweifelte Trendjagd, die die Xbox One-Ära mit Mikrotransaktionen und Lootboxen getrübt hatte. Ja, im Endeffekt gibt es kaum Anzeichen für die Existenz der Horizon-Spiele, da man fast schon akribisch versucht, alles anders aussehen zu lassen – von den Menüs bis hin zu den Animationen jenseits der Rennen selbst. Es handelt sich hier um ein konsequent auf die Rennstrecke fokussiertes Spiel mit Anleihen aus der realen Welt des Motorsports.

Wenn überhaupt, dann ist Forza Motorsport sehr zielstrebig. Wenn man von der überschwänglichen Fiesta von Horizon 5 – oder sogar von der exzentrischen Skurrilität von Gran Turismo 7 – zu diesem Spiel kommt, ist man vielleicht überrascht über den Mangel an Abwechslung im Eventdesign und das Fehlen einer markanten Stimme, einer Persönlichkeit, die einen durch diese Welt aus Asphalt und Kolben führt. Aber das ist die Art von Forza Motorsport. Die Serie hat schon immer am besten als Rahmen funktioniert, als Werkzeugkasten, der das zurückgibt, was man in ihn hineinsteckt.

Der Rahmen: Eine solide Basis

In die Kernbasis, in den sogenannten Spiel-Rahmen, hat Turn 10 in den letzten sechs Jahren den Löwenanteil seiner Bemühungen gesteckt. Einige Aspekte, wie z. B. die Editoren für die Lackierung und das Fahrzeugtuning, die es mit den Horizon-Spielen teilt, brauchten verständlicherweise wenig zusätzliche Arbeit. An anderer Stelle musste Forza Motorsport einer gründlicheren Überarbeitung unterzogen werden. Lange vermisste Funktionen wie dynamische Tageszeiten und Wettersysteme, die sich heute vielleicht wie nette Gimmicks anhören, aber für die Rennsimulations-Gemeinde von entscheidender Bedeutung sind, wurden endlich implementiert, und dies auf wunderschöne Weise. Es gibt ein beeindruckendes Spektrum an Regen, das von trübem Nieselregen, der für eine tückisch glatte Oberfläche sorgen kann, bis hin zu einem Wolkenbruch reicht, der die Sicht aus dem Cockpit komplett verdeckt. Die Beleuchtung bei Sonnenuntergang und in der Nacht ist abwechslungsreich und dramatisch, und selbst am Mittag kann die Position der Sonne Auswirkungen auf das Gameplay haben; wenn man zum Beispiel auf der Rennstrecke von Laguna Seca in die Sonne fährt, können die Ränder der Strecke aufgrund der Blendung durch den Staub schwer zu erkennen sein.

Auch die Fahrphysik von Forza wurde überarbeitet. Während Playground die gleichen Grundlagen nutzte und sie in Horizon zu einem treibenden Arcade-Sim-Hybriden formte, der sowohl äußerst unterhaltsam als auch zum Navigieren auf einer Open-World-Karte geeignet war, hatte Turn 10 in den Motorsport-Spielen Mühe, die Simulation in eine realistischere Form zu bringen; das Fahrverhalten war oft unruhig und unvorhersehbar und ließ sich schlecht auf Lenkräder übertragen. Es ist zwar immer noch weniger sattelfest und extravaganter als Gran Turismo und neigt eher zum Übersteuern, aber Forza Motorsport ist ein mitreißendes, glaubwürdiges und viel konstanteres Fahrvergnügen. (Ich selbst hatte noch keine Gelegenheit, es selbst auf einem Lenkrad auszuprobieren, aber viele Online-Berichte von Spielern verraten, dass es sich viel besser fährt.)

Die eher mit Arcade-Racer assoziierten Features wie Mod-Karten und der Bonus-Spinner im Stile eines einarmigen Banditen sind verschwunden, was aber nicht bedeutet, dass es sich bei Forza Motorsport jetzt um eine Hardcore-Simulation handelt. Es gibt keine Qualifikationsrunden, kein Flaggensystem, kein Safety-Car, keine Motorschäden, kein Teammanagement, keine Sponsoren, keine Karriererivalitäten, keine Reifenaufwärmung und keine finanziellen Strafen für Fahrzeugschäden. Es gibt nicht einmal eine offensichtliche defensive Fahrweise der KI. Verglichen mit der F1-Serie von EA ist dies ein sehr einfaches Rennspiel.

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Fazit

Forza Motorsport ist eine ernste Angelegenheit. Turn 10 vermittelt, dass man Zeit investieren muss: Runden drehen, Sekunden absparen, eine kleine Änderung vornehmen, den Sieg herauskitzeln. Diese Fokussierung auf das Kerngeschäft des Motosports und die Weigerung, sich den spaßbesessenen Horizon-Spielern anzubiedern und ihnen stattdessen eine klar formulierte Einladung zukommen zu lassen, dann doch wieder ein wenig Ernst an den Tag zu legen, kann man durchaus respektieren. In diesem Spiel geht es darum, sich im Kreis zu drehen, und zwar jedes Mal ein bisschen schneller, und das ganz unverblümt. Das hat sich als überzeugend genug erwiesen, um eine ganze Sportart darauf aufzubauen, also ist das vielleicht ganz gut so. Aber ein bisschen mehr Abwechslung hätte es schon sein dürfen.

Denn mehr als die durchaus beeindruckenden fetten Motorengeräusche, einer Cockpitview vom Feinsten und vielen minutiösem, virtuellem Rumgeschraube in der virtuellen Upgrade-Garage mit anschließendem Rundenfahren bietet Forza Motorsport nicht. Für die Puristen mag es genügen, doch der größere Markt und die anziehendere Wirkung wird wohl immer noch Forza Horizon bieten, welches dank vieler Anpassungsmöglichkeiten auf ein ähnliches Simulations-Niveau wie der große Bruder Forza Motosport kommt. Vor allem, da Forza Motorsport als Rennsimulation noch komplett zahm daherkommt. Bleibt abzuwarten, wie Fans auf das Reboot reagieren, das durchaus seine Daseinsberechtigung hat, aber nicht die erhoffte Durchschlagskraft aufweisen kann.


Bewertung

Pro

  • Komplett realistische Nachbauten der Rennstrecken
  • Verbesserte Fahrengine
  • Spannender, anpassbarer Schwierigkeitsgrad
  • Multiplayer-Rennen voller Nervenkitzel
  • Fokus auf pures Motosport-Feeling

Contra

  • Wenig Abwechslung im Gesamtgameplay
  • Optisch und technisch verbesserungsfähig
  • Simulationsgrad noch recht niedrig
  • Upgrade-System mit "Rubberbanding"-Gefühl
  • Nicht jedermanns Sache

Grafik 9 von 10
9/10
Sound 8 von 10
8/10
Gameplay 8 von 10
8/10
Singleplayer 7 von 10
7/10
Multiplayer 9 von 10
9/10
Spielspaß 8 von 10
8/10
XBU-Silver-Award
8

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