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In Unravel erblickt Yarni das Licht der Welt. Die kleine Figur aus Wolle möchte den Weg in euer Herz mit Rätseln und einer emotionalen Geschichte finden. Ob das gelingt, haben wir für euch getestet.

Schwedische Wolle

Das Umeå nicht nur für schwedischen Hardcore der Marke Refused steht, sondern auch für ganz ruhige Töne, beweisen nun Coldwood Interactive mit ihrem Titel Unravel. Electronic Arts haben dieses kleine Spiel in ihr Repertoire aufgenommen, wo es doch aus der Masse der großen und lauten Spiele heraussticht.

Die Hauptfigur des Spiels ist Yarni, dieser ist eine kleine Figur, welche aus einem Garn Wolle entsteht. Geboren wird diese Figur in dem kleinen Häuschen einer älteren Dame auf dem schwedischen Land. Viel mehr erfährt man nicht, unser Held entsteht eher zufällig als ein Knäul mit Wolle durch die Wohnung rollt und ab dort an müssen wir die Geschichte selbst erleben und in großen Teilen auch selbst interpretieren.

Dreh- und Angelpunkt ist das besagte Häuschen, besser gesagt das Wohnzimmer. Hier sind eure Anlaufstellen ein Fotoalbum, was anfangs noch leer ist und Fotorahmen, welche als Eintrittspforten zu Leveln fungieren, ähnlich wie es in Super Mario 64 der Fall war.

Am Ende jedes Levels findet ihr eine kleine Figur aus Wolle, die ihr anschließend an das Fotoalbum klebt und somit auf magische Art und Weise Fotos in dieses zaubert. Mehr wird dann auch nicht zur Geschichte gesagt, Yarni redet nicht und auch sonst gibt es keine Dialoge, einzig die handschriftlichen Einleitungen zu den Fotos im Album scheinen eine kleine Geschichte zu erzählen.

Dies ist, und das kann ich gleich zu Beginn dieses Tests sagen, die ganz große Stärke des Titels. Es wird nahezu nichts zur Geschichte gesagt. Die Entwickler sagen, die Wolle aus der Yarni ist, repräsentiert die Liebe und je weiter die Figur sich von Dingen die er liebt entfernt, desto mehr wird von der Wolle abgewickelt. Den Rest möchte man dem Spieler offenlassen und genau das sollte so sein. Dieses Bildnis an sich ist ein trauriges und so gibt es auch etliche Möglichkeiten diesen Titel zu interpretieren, schöne aber auch traurige Möglichkeiten. Ich möchte hier nicht auf Details der Geschichte eingehen, aber je weiter ich gespielt habe, desto sentimentaler wurde ich. Wer sich emotional auf Geschichten oder Kunst einlassen kann, der wird hier ein weites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten finden und das allein durch die Bilder, welche Unravel liefert. Das Fotoalbum im Titel ist so gewählt, dass jeder Bilder finden wird, die ihn an irgendwas in sein Leben erinnern und so fand ich plötzlich Erinnerungen in mir, an welche ich lange Zeit nicht mehr gedacht habe. Lange hat mich kein Titel mehr so emotional abgeholt und das rechne ich diesem Titel sehr hoch an.

Mehr Wolle als um Petrys Unterarm

Das Spielprinzip ist denkbar einfach, gemischt werden Sidescroller und Physikrätsel. Insgesamt erinnert der Titel spielerisch sehr stark an Limbo, besonders wenn es um physikalische Rätsel geht, wobei ich finde, in Unravel spielt Physik eine noch größere Rolle.

Yarni kann neben Laufen und Springen auch einen Faden werfen, der sich an Gegenständen oder Haken befestigen lässt. So kann der Spieler Abgründe überwinden oder kleine Mechanismen wie einen Flaschenzug bauen. Nach dem ersten Level wird es erst etwas kniffelig, doch spätestens am Ende von Level drei nimmt der Schwierigkeitsgrad wieder ab, da der Spieler alle taktischen Manöver gelernt hat und diese sich schlussendlich doch etwas häufiger wiederholen. So hat man das Gefühl, zwischen zwei Befestigungsmöglichkeiten Seil zu spannen und dies als Trampolin zu nutzen, ist die Lösung für 70% aller Rätsel.

Das ist stellenweise ärgerlich, so sind es auch manche Momente, wo man nur nach langem Trial-and-Error Verfahren weiterkommt. Dies zeigt, dass das Gameplay nicht perfekt ist, das Ziel, neue Fotos zu Finden und neue Erinnerung freizuschalten, motiviert aber auch diese Hürden zu nehmen.

Für den einen mehr, für den anderen weniger

Unravel kann man schnell spielen oder eben auch langsam. Alleine in dem Startgebiet kann man eine ganze Weile herumlaufen und immer neue Details entdecken. Wollt ihr alle Level einfach nur durchspielen, so wird das sicher in fünf Stunden möglich sein. Es gibt aber versteckte Items und wollt ihr diese alle finden, wird es etwas fummeliger und am Ende kommen sicher acht Stunden zusammen. Das ist absolut ausreichend, denn vermutlich würde sich bei dem teilweise repetitivem Gameplay sonst Monotonie einstellen.


Das Gute daran ist, habt ihr ein Level geschafft, müsst ihr nicht zum nächsten, sondern könnt auch in vergangene Abschnitte zurück und müsst somit nicht alle Geheimnisse in einem Durchgang finden. Mehr Inhalt bietet der Titel dann aber nicht, Multiplayer oder ähnliches gibt es nicht. Für rund 20 Euro kommt der Titel aber trotzdem an die Zeit ran, die einige Vollpreistitel bieten und die Zeit, welche Unravel euch bietet, ist komplett unterhaltsam gefüllt.

Oh sieht der aber süß aus und wie der klingt…

Bei einem Titel der kleineren Größenordnung, wie Unravel prinzipiell ist, erwartet man fast schon technische Abstiche zu machen, hier kann ich aber gleich Entwarnung geben, die Entwickler haben saubere Arbeit abgeliefert. Selbst wenn im Spiel nichts passiert, so passiert doch ganz viel. In den Hintergründen ist meist die Natur des schönen Schwedens zu sehen, aber auch Innenareale dürfen besucht werden. In beiden Gebieten ist der Titel fantastisch ausgeleuchtet. In der Natur gibt es Nebel oder Sonnenaufgänge, die in mir sofort den Wunsch äußerten, in die Natur zu fahren. In Büros und Wohnzimmer sorgen Kerzen und Lampen für eine dichte Atmosphäre.

Die Spielwelt ist absolut abwechslungsreich und überall gibt es Bewegung, ob nun ein wildes Nagetier um euch herum nach Essen sucht oder ein gesamter Berg auf dem ihr seid just zusammenbricht, es gibt immer etwas zu sehen. Wenn ich Kritik ausüben muss, dann nur an einigen Arealen, wo durch Zoomfaktor, Gras oder Nebel die nächste Möglichkeit zu Befestigung eurer Wolle nicht sichtbar war. Hier habe ich an vier oder fünf Stellen im Spiel nach Lösungen gesucht und mir hinterher an den Kopf gefasst, weil sie eigentlich direkt vor mir lag.

Es gibt keine Dialoge, nur einen Monolog im Intro und dennoch ist der Sound gut gelungen. Der Soundtrack unterstreicht genau die emotionale Stimmung des Titels. Gibt es Spannung, weil Krähen den kleinen Yarni angreifen, so vermittelt die Musik Spannung, gibt es Grund zur Freude, weil die Sonne aufgeht, so ertönt heitere Musik. An den Stellen, wo es traurig wird, ja da wird es musikalisch auch richtig traurig.

Ist das schon Kunst?

Ich bin ohnehin dafür, Videospiele als Kunst anzuerkennen, auch wenn es hier und dort Titel gibt, wo es schwierig wird, den Kunstaspekt zu finden. Doch es ist insgesamt eine Kunstform und Unravel ist einer der Titel, die dies zeigen. Alle Wirkungen, die Kunstformen in einem Menschen erzielen können, kann auch dieses Game erzielen.

Ich möchte die Kraft dieses Titels jetzt nicht überbewerten, aber ich finde Unravel kann sehr wohl starke Emotionen in Menschen hervorrufen, es kann Menschen unterhalten und aus dem Alltag entführen. In meinem Falle konnte der Titel sogar dafür sorgen, dass ich über einige Dinge in meinem Leben und dem von Anderen nachdenke und sie vielleicht aus einer etwas anderen Perspektive sehen kann. Klar macht Unravel mich nicht zu einem besseren Menschen und das wird es auch bei keinem anderen Gamer machen, aber dies macht auch ein Besuch im Louvre in den wenigsten Fällen.

Fazit

Mich kann Unravel sehr begeistern. Ich habe lange Zeit kein Videospiel mehr gezockt, welches eine solche emotionale Tiefe besaß und das auch noch ohne viel zu sagen. Spielerisch ist sicherlich vieles bei Limbo geliehen und einige Rätsel wiederholen sich öfter als nötig, aber das Gesamtpaket entschuldigt hierfür auf jeden Fall.

Die Präsentation ist einfach spitze, egal wo Yarni ist: Man ist mittendrin! Wer in seinem Leben durch die schwedische Natur reisen durfte, der wird mir bestätigen, Yarni ist irgendwie typisch schwedisch.

Wenn ihr einen Titel braucht, der euch überzeugt, dass auch digitale Games große Hits sein können, dann ist Unravel dieser Titel. Klare Kaufempfehlung!

Wir vergeben zudem unseren XBoxUser Special Award für die emotionale Tiefe durch vielfältige Interpretationsmöglichkeiten.


Bewertung

Pro

  • Emotionale Atmosphäre
  • Liebevolle Präsentation
  • Toller Soundtrack

Contra

  • Einige Rätsel wiederholen sich zu häufig

Grafik 7 von 10
7/10
Sound 9 von 10
9/10
Atmosphäre + Emotionen 9 von 10
9/10
Spielspaß 8 von 10
8/10
Gameplay 7 von 10
7/10
Umfang 7 von 10
7/10
XBU-Gold-Award
9
XBU-Special-Award

3 Kommentare

XBU MrHyde So, 20.03.2016, 12:25 Uhr

Ich habe das erste Level diese Woche gespielt und beendet. Ich muss sagen, das Ding ist echt ein Kunstwerk! Absolut liebevoll gestaltet, das Design ist einfach herrlich. Dazu diese Einblendungen im Hintergrund so als Kindheitserinnerungen, um das Fotoalbum wieder mit Leben zu füllen. Echt klasse!

Die Rätsel-Thematik mag ich dazu eh sehr gerne, werde es sicher in den kommenden Wochen immer wieder rauskramen und weiter spielen. Ich hoffe, das Spiel haben viele gekauft, das haben sich die Entwickler echt verdient.

XBU H3tf1eld Mo, 15.02.2016, 16:38 Uhr

Ich habs zwar heruntergeladen, aber im Moment spielt es eigentlich nur meine Frau. :smt003
Das Spiel ist definitiv sehr schön gestaltet und macht mir sehr viel Spaß. Finde die Benotung gerechtfertigt. Der einzige Sidescroller der noch schöner gestaltet ist und mich noch mehr gefesselt hat war Ori and the Blind Forrest.

XBU MrHyde Mo, 15.02.2016, 16:11 Uhr

Nach dem Review freue ich mich noch mehr aufs Spiel. Gekauft und geladen habe ich es mir schon!