
Ubisoft wagt sich zum ersten Mal an einem größeren Star-Wars-Titel und diesmal in einem oldschool Singleplayer-Adventure. Neu dabei: Das erste Mal Star Wars wirklich in einem „Open World“. Wir haben das Spiel getestet und verraten euch, warum einiges sehr wohl gelingt, vieles aber auch eher mäßig und weniger berauschend ist.
Eine neue (Anti-)Heldin? Wieso?!
Anstatt auf bekannte Gesichter zu setzen, will Star Wars Outlaws sofort mit einer neuen Geschichte auftrumpfen und lässt euch in die Haut von Kay Vess schlüpfen – eine Halunkin und Diebin, die weder ein Lichtschwert ihr Eigen nennt noch mit der Macht umgehen kann. Im Vergleich zu den anderen großen Star-Wars-Singleplayer-Games (insbesondere der Star Wars Jedi Serie von EA) kommt ihr also eher „underpowered“ daher, trefft nicht auf bekannte Gesichter, sondern erlebt eine ganz eigene Geschichte inmitten des Star-Wars-Universums als unabhängige Söldnerin, die sowohl von der nicht vorhandenen Hintergrund-Story, der Kleidung, dem Einzelgängertrieb und dem Swag klar an Han Solo erinnert. Das Problem an der Geschichte: Kay Vess hat, wenn man von ihrem doch ach so knuffig süßem Axolotl-ähnlichen Begleitertierchen Nix einmal absieht, recht wenig positive Charaktereigenschaften. Bzw. überhaupt Charaktereigenschaften. Von Anfang an ist das große Problem an der Story von Outlaws unsere Hauptprotagonistin. Wir erfahren eigentlich nichts über ihre Hintergrundgeschichte – Wer ist sie? Was treibt sie? Woher kommt sie? – und nichts über ihre Motivation – Was will sie? Wonach strebt sie?
Zum einen ist es auf das Grundprinzip des Spieles zurückzuführen, das euch flexibel anbietet, welcher Untergrundorganisation ihr treu seid, bei welcher ihr Punkte sammeln wollt, welche ihr hintergeht und wo ihr euch besonders beliebt machen wollt. Zum anderen ist aber auch das Storywriting nicht sonderlich stark. Man wundert sich, warum erneut eine neue Heldin eingeführt wird, anstelle man nicht seinen komplett eigenen Charakter erstellen kann, wenn die Story dann eh so mau ist, dass man überhaupt nicht weiß, warum man eigentlich dieses ganze Umhergerenne denn tut… Vor allem dann, wenn man sich auf den Aspekt der Loyalitäten bei den einzelnen Untergrundorganisationen einlässt, es aber überhaupt keinen Einfluss auf die Story hat, welcher ihr treu seid und auch die Organisationen sich gegenüber euch nicht anders verhalten – hier wäre so viel mehr drin gewesen, wenn man dem ganzen mehr Spielraum gelassen hätte.
Also… Open World, ja?
Wie spielt sich Outlaws folglich? Nun, sehr typisch eigentlich für ein Open-World-Game. Anfangs geht alles noch recht linear, aber schnell habt ihr neben Hauptmissionen eine schier unendliche Zahl an Nebenmissionen und eure Karte erweitert sich zusätzlich zu euren Fähigkeiten immer mehr. Seid ihr anfangs noch in der beschäftigten Stadt unterwegs, geht es schnell raus auf die große Karte und in die wenig bewohnte Steppe, die aber mit vielen Nebenaufgaben und versteckten Schätzen wartet. Später schaltet ihr ein Raumschiff frei, mit dem ihr ebenfalls zu anderen Planeten reisen könnt.
Gameplay-mäßig ist der Kampf-Aspekt insgesamt etwas reduziert (vergleicht man es z.B. mit der Jedi-Serie) – schließlich ist man ja kein Jedi. Der Blaster soll allenfalls als Nothilfe dienen, denn hauptsächlich geht es um Stealth. Kriechend hinter Kisten vorbei, durch Lüftungsschächte, nebenbei eine Tür knacken, eine Wache von hinten umnieten, und keinen Alarm auslösen.
Schnell stellt sich aber heraus: Euer Blaster ist enorm gut, aus vielen Situationen könnt ihr euch einfach herauskämpfen statt lange herumzuschleichen. Aber auch das ist leichter und geradliniger als in anderen Games, denn die Gegner-KI ist extrem schwach, Patrouillen laufen ihre klaren Routinen ab, hören und sehen tun die meisten Gegner ebenfalls kaum Das Spiel geht flott von der Hand, stellt nie eine große Herausforderung dar und die Zielgruppe ist klar: Möglichst vielen Fans ein einfaches Spielerlebnis bieten.
Doch wie so ne richtige offene Welt fühlt sich Star Wars Outlaws trotzdem nicht an. Denn die vielen verschiedenen Orte sind schnell von der Begehbarkeit her begrenzt, die Planeten/Orte sind mittels des Weltraumorbits verbunden aber der Übergang geht nur mittels Zwischensequenz und dauert mindestens 30 Sekunden und auch im Weltraum ist man schnell „out of bounds“, d.h. außerhalb des Bereiches, indem man spielen soll. Schade – man fühlt sich dann doch sehr eingeengt.
Fazit
Star Wars Outlaws macht Spaß, kann aber die Erwartungen nicht erfüllen, die man vielleicht in ein Open-World-Game im Star-Wars-Universum steckt. Denn so richtig Open-World fühlt es sich oft nicht an, dem Spiel fehlt der letzte technische Feinschliff und die Story ist leider überhaupt nicht überzeugend – es ist schade, dass die Hauptprotagonistin Kay Vess keine Sympathie zieht und ihre Motivation, d.h. damit das gesamte Spielziel, so unklar und uninteressant ist.
Es gibt sicherlich viele coole Spielelemente, die Spaß machen. Die vielen Minispiele, Aufträge, die Nostalgie der alten Filmreihe… Das fesselt dann doch. Auch das Gameplay, so simpel wie es dann schlussendlich doch ist, macht dennoch Spaß. Schleichen, einen Weg finden, das macht vor allem abseits der Story-Missionen enorm Laune, da man hier viele Freiheiten hat, wie man an das Ganze herangeht. Auch die Action und die Tatsache, dass man weder Lichtschwert noch die Macht benutzt, haben etwas Puristisches, das motiviert und einen in der Außenseiter-Position umso mächtiger wirken lassen.
Wer Star-Wars-Fan ist, macht deshalb bestimmt keinen großen Fehler, Star Wars Outlaws zu spielen. Es macht Laune, bietet viele Easter Eggs, hat einen enormen Umfang, der dadurch den saftigen Preis doch irgendwie rechtfertigt, lässt aber natürlich noch viel Luft nach oben. Wir hoffen, dass man an die guten Dinge anknüpft, künftig vielleicht sogar ein Open-World-Game herausbringt, indem man den Charakter völlig frei entwerfen kann, oder im Stile von Mass Effect eine Story bietet, welche die Entscheidungen mehr gewichtet und die Motivation hinter dem*der Hauptprotagonist*in stärker hervorstechen lässt. So lange… begnügen wir uns mit Outlaws – einem netten Versuch, bei dem aber der letzte Funken Begeisterung nicht rüberspringt.
Bewertung
Pro
- Fantastische Soundkulisse
- Originelle Ideen, tolles Universum
- Viele Gameplay-Freiheiten
- Sehr großer Umfang
- Spaßige Action
Contra
- Feinschliff fehlt offensichtlich (z.B. Glitches)
- Gameplay bietet nichts wirklich "Neues"
- Story und Hauptprotagonistin sind eher mau
- "Open World"-Aspekt mäßig und mit vielen Ladezeiten umgesetzt
2 Kommentare
XBU Philippe Sa, 07.09.2024, 12:34 Uhr
Das stimmt, dieses Zusammenspiel ist gut. Aber Nix bietet weniger emotionale Tiefe und Reaktion, als es ein ND-5 hätte geben können, deswegen schade, dass man diese Beziehung nicht auch weiter ausgebaut hat. Aber die Wahl an sich der Protagonistin ist schon ok!
Naja, es ist eben das, was ich kritisiere. Die alten Star-Wars-Teile hatten jetzt auch nicht sofort mega reiche Backgroundstories. Aber von einem modernen Titel erwarte ich das schon. Sie ist höchstens ein besserer Han-Solo-Abklatsch, aber der hat auch keine Tiefe. Es fehlt mir ein ultimatives Ziel (anstatt: Mehr Geld), einen moralischen Kompass (mat kann frei nach Belieben mit den verschiedenen Clans unter einer Decke stecken und sie zugleich hintergehen) und eine Hintergrundstory. Wer ist sie? Wo kam sie her? Was hat sie zu dem gemacht, was sie ist? Was hat sie all die Jahre davor gemacht? Usw., das fehlt mir persönlich zu viel.
diggaloo Fr, 06.09.2024, 21:00 Uhr
„ es ist schade, dass die Hauptprotagonistin Kay Vess keine Sympathie zieht und ihre Motivation, d.h. damit das gesamte Spielziel, so unklar und uninteressant ist“
Ich finde sie sogar ziemlich sympathisch, gerade auch wegen ihrer Interaktion mit Nix. Dazu finde ich es sympathisch, dass sie kein Modeltyp wie viele weibliche Protagonistinnen aus anderen Spielen ist.
Ihrer Motivation ist doch eigentlich klar: Sie wohnt zu Beginn kostenlos in einer kleinen Dachgeschossbude in einer Kneipe. Sie will also Kohle machen, um sich etwas aufzubauen. Und da sie aufgrund ihrer Mutter nun mal das am besten kann, was man im Spiel so macht, möchte sie damit Kohle machen. Ob das jetzt interessant und originell ist, sei mal dahingestellt, aber es ist zumindest klar.