
Ich Meister, du Hornochse
Die Story ist spannend, besonders wenn ihr von einem grausigen Mord hin zu immer seltsamerem Verhalten von Holmes selber kommt und seine Handlungen und Gedanken nicht mehr verstehen könnt. Das wurde geschickt gemacht. Holmes zieht seine deduktiven Schlüsse gekonnt und Watson steht typischerweise daneben und versteht immer nur Bahnhof. Dafür, dass er promovierter Arzt ist, sollte er schon manchmal etwas schneller dem Faden folgen können, den Holmes ausgelegt hat. Dabei sind die Rätsel meist sehr einfach.
Das Spiel kennzeichnet sich, durch meist relativ offensichtliche Rätsel, gespickt mit ein paar harten Nüssen. Da gibt es mal ein kompliziertes Schachrätsel oder eine knifflige Matheaufgabe zu lösen, die es in sich haben. Als das schwerste Denkspiel befanden wir das Herausfinden eines Codes (Matherätsel) für einen Koffer. Hier tappt man einfach lange im Dunkeln, da man überhaupt nicht weiß, was man mit den Zahlen auf dem Koffer anfangen soll. Und es gibt natürlich keine Bestätigung, wenn man eine richtige Zahl gefunden hat - erst wenn alle drei korrekt sind, öffnet sich der Koffer.
Und dennoch: Die meiste Zeit über folgt ihr einem linearen Weg, löst bestimmte Aufgaben, die von Anfang an ziemlich klar sind und erfreut euch dennoch an dem Spiel. Denn die Geschichte ist einfach mal wieder richtig spannend und gut erzählt - die Atmosphäre stimmt immer und die verschiedenen Spielmomente, die sich dann doch häufig abwechseln, sind ebenfalls unterhaltsam. Sucht mit Hilfe von Briefen die Verkleidung, die fehlt; versucht mit allen möglichen Mitteln, eine Tür zu öffnen; analysiert Gift in einem kleinen Minispiel auf seine einzelnen Komponenten; löst ein Logikpuzzle, mit dem ein gewitzter Mann seinen wertvollen Tresor beschützt hat; baut eine Bombe mithilfe einer Anleitung auf einem Origami; kombiniert Objekte wie Holzgriff, Schaufelblatt und Schrauben um einen Spaten zu basteln usw. Hier hat man sich richtig was einfallen lassen.
Wer auf das Internet verzichtet...
... und keine Komplettlösung vorhanden hat, wird an einigen Stellen vielleicht länger hängen. Das kann ggf. frustrieren, da Sherlock Holmes außer dem momentan anstehenden Rätsel im Gameplay nicht viel bietet. Es gibt keine alternativen Routen, es gibt keine einholbaren Tipps - lediglich einige Geschicklichkeitsaufgaben können übersprungen werden (Aber wozu? Ein Erfolg ist umso befriedigender). Auch bei vermeintlich ,,offenen" Spielgebieten wie Whitechapel, welches ihr ein wenig erkunden könnt, gibt es nicht viele Spielmöglichkeiten. Die Passanten sagen alle das Gleiche oder sind überhaupt nicht ansprechbar. Dies muss wohl so sein - sonst würde man auf der Suche nach Hinweisen in London wohl verhungern. Trotzdem: So ein paar kleine Nebenstränge oder gleichzeitig mehrere Möglichkeiten, etwas zu analysieren, wären auch mal nicht schlecht gewesen.
Stattdessen geht es immer schnurstracks geradeaus. Das treibt die Story gut voran und ihr werdet - wenn ihr alle Aufgaben mehr oder weniger schnell löst - sehr schnell durch das Spiel durchgerauscht sein. Ich persönlich habe nur knapp vier Tage gebraucht, um es komplett durchzuspielen und alle 1000 Gamerscorepunkte zu holen. Da hätte ich mir mehr erhofft... Denn einen großen Wiederspielwert hat das Spiel - nachdem ich den Ausgang der Geschichte kenne - nicht.
Fazit
Eigentlich ist ,,Das Testament des Sherlock Holmes" genau so, wie man es erwartet. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die Optik ordentlich aufpoliert. Sie ist zwar immer noch nicht auf dem aktuellsten Stand, das macht aber nichts. Die Atmosphäre des viktorianischen Englands um 1900 wird trotzdem sehr gut vermittelt. Für besondere England-Liebhaber empfiehlt es sich, das Spiel auf Englisch zu spielen - aber auch die deutsche Synchronisation ist durchaus brauchbar.
Die Geschichte rund um eine Serie an barbarischen Morden und ein Geheimnis, das sich um unseren manchmal quirligen Hauptcharakter schlingt, ist wieder einmal sehr spannend und hat einige Wendungen, die man so nicht vorhersehen kann. Das Gameplay, welches aus reichlich Hinweisfinden und Rätsellösen besteht, ist an sich sehr einfach und linear, auch wenn ab und zu einige kopfzerbrechende Denksportaufgaben auf euch warten. Insbesondere die Logik- und Mathematikrätsel sind nicht so einfach, da sie ohne jegliche Anweisung daherkommen.
Insgesamt bietet aber Sherlock Holmes leider etwas zu wenig Spielspaß, um vollends zu überzeugen. Die Geschichte ist sehr schnell durchgespielt und danach gibt es überhaupt nichts mehr, was zu erneutem Spielen verleiten würde. Für die kleine Detektivgeschichte zwischendurch ist das Spiel ideal und für Holmes-Fans sowieso Pflicht - alle anderen sollten sich aber fragen, ob sie ihre Rätsel- und Puzzlesucht vielleicht nicht besser anders stillen können.
Bewertung
Pro
- Abwechslungsreiches Rätselgameplay ohne Stress
- Sehr spannende Geschichte
- Gute "englische" Atmosphäre
Contra
- Oft etwas zu linear (und zu einfach)
- ... aber manchmal richtig schwer. Ausgewogenheit fehlt.
- Viel zu kurz (circa 8 Stunden Spielzeit)

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