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Lebt den der alte Holz-Edward noch?

Die Unreal 4 Engine gibt dem Titel eine tolle Grundlage, die stellenweise auch gut genutzt wird. Es gibt schöne Lichteffekte, das feuchte Wetter kommt gut rüber und die Welt ist stimmig. Dafür sind leider die Ladezeiten stellenweise zu lange, das große Minus des Titels sind aber die Animationen der Figuren. 

Alle Charaktere in Call of Cthulhu bewegen sich wahnsinnig hölzern, in ihren Gesichtern sind kaum Emotionen zu spüren und zu guter Letzt sind die Lippenbewegungen in den Gesprächen so asynchron, es hätte fast besser ausgesehen, hätte man komplett auf Lippenbewegungen verzichtet. Ein Titel, der eine so gute Lizenz hat, eine so interessante Geschichte erzählt und so sehr auf Atmosphäre abzieht, darf sich in der Performance nicht solche Schnitzer erlauben, das zerstört die Immersion komplett.

Die englischen Sprecher sind gut gewählt und die Musik treibt den Spieler immer wieder an, dank der schlechten Lippenanimationen bekommt man irgendwann aber eben kaum noch was von der guten Synchronarbeit mit, weil der Spieler nur noch auf die Münder der Personen achtet.

Horror, Rollenspiel, Krimi?

Call of Cthulhu möchte sich nicht richtig festlegen, was es sein möchte. Schaut man auf den literarischen Hintergrund und das Pen and Paper Vorbild, so passt das aber. Zum einen ist das Spiel ein Krimi und hier ist es fast am besten. Die Gespräche mit den Bewohnern der Stadt dienen der Beweisfindung und hier muss der Spieler weise wählen, welche Dialogoption er nimmt. Alle Optionen scheinen interessant, es kann aber nur eine gewählt werden und die Zeit sitzt Pierce dabei auch im Nacken. 

An Tatorten können dann diverse Beweise sichergestellt und Szenen rekonstruiert werden. Das ist stellenweise einfachstes Suchen von Items, macht aber dennoch Spaß, weil sich so ein Gesamtbild eines Verbrechens ergibt, was in die Story des Titels eingewoben werden muss. Dann kommen mehr und mehr unerklärliche Dinge ins Spiel, der namensgebende Cthulhu Mythos spielt dabei gar keine so große Rolle. Okkultismus und ein geheimer Kult müssen aber dennoch erforscht werden. Dieser Aspekt muss dabei sein und gibt der Detektiv-Arbeit etwas Würze, ist aber eben überraschenderweise der schwächere Part der Erzählung. 

Ähnlich wie bei einem Pen an Paper habt ihr auch hier Attribute, die Pierce für bestimmte Situationen rüsten. Wie in einem klassischen Rollenspiel verteilt ihr erworbene Skillpunkte auf eine Handvoll Fähigkeiten, um eure Figur zu verbessern. Stärke hilft Türen aufzubrechen, ihr könnt aber auch eure Psyche stärken oder eben die Suche nach Beweisen vereinfachen. Je nachdem, wie ihr bestimmte Passagen spielt, bekommt ihr weniger oder mehr Skillpunkte.

Darüber hinaus gibt es die Fähigkeiten Okkultismus und Medizin, welche nur durch das Lesen von Büchern gestärkt werden können. So macht das Suchen nach einer Art Collectible wenigstens Sinn. Doch gebt acht, wie sehr ihr in die Welt des Okkulten eintaucht, hat Einfluss auf das Ende des Spiels. Genauso auch, ob ihr Alkohol und Schlaftabletten zu euch nehmt oder dem Alltag nüchtern entgegentretet.

Die spielerische Abwärtsspirale

Ähnlich wie bei der Geschichte, flacht auch das Gameplay nach dem ersten Drittel des Spiels merklich ab. Ab der Hälfte kommen immer wieder Schleichpassagen und Versteckspiele mit Monstern vor. Diese verfehlten es leider gruselig zu sein, sondern sind durch Trial-and-Error Mechaniken nervig und zerstören dadurch jeden Horrormoment. Momente wie das Labyrinth in der Nervenheilanstalt, welches durch eine Art Zwischenwelt führt, sind für eine Horror-Story treffend, machen aber spielerisch wenig Spaß. 

Das investigative Detektiv-Spiel tritt langsam in den Hintergrund und man hat das Gefühl, jetzt muss das Game mit Vollgas beendet werden. Zwanghaft wird versucht, wie im letzten Akt eines Filmes noch ein großes Feuerwerk einzubauen, unnötige Actionszenen und viel zu viele wirre Wendungen hetzten den Spieler dann bis zu Abspann.

In den ersten vier bis fünf Stunden möchte man Call of Cthulhu nicht weglegen, es macht einfach viel Spaß, das Gameplay stimmt. In Stunde fünf bis zehn nutzt sich das ab und neue nervige Elemente lassen darauf hoffen, dass der Titel zu anfänglicher Stärke zurückfindet. Die letzten Stunden lassen den Spieler dann leider sogar überlegen, den Titel ohne den Abspann gesehen zu haben, wieder ins Regal zu stellen.

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Fazit

Call of Cthulhu hat alles, was ein guter Horror-Titel braucht, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in ersten Stunden des Spiels. 

Leider lässt die Qualität der Story und auch des Gameplays merklich nach. Die generelle Atmosphäre und der morbide Touch machen das Game spielenswert, die hölzernen Figuren und spätere Versteckspiel Momente stören die Immersion dann aber doch sehr.

Kein Spiel hat die Ideen eines H.P. Lovecraft bisher so gut eingefangen: Fans der Bücher und des Pen and Paper Spiels werden ihre Freude an dem Titel haben. 

Fans von Horrorspielen müssen sich hingegen auf einen Vertreter mit kleinen Macken einstellen.


Bewertung

Pro

  • Dichte Atmosphäre
  • H.P. Lovecraft Vibe
  • Guter Start

Contra

  • Hölzerne Figuren
  • Lässt spielerisch und inhaltlich stark nach

Story / Atmosphäre 8 von 10
8/10
Grafik 7 von 10
7/10
Sound 8 von 10
8/10
Gameplay 6 von 10
6/10
Spielspaß 7 von 10
7/10
Umfang 7 von 10
7/10
7

2 Kommentare

XBU Zwobby Mi, 21.11.2018, 07:40 Uhr

Fühlt sich leider genau so an. Am Anfang wollte ich die Konsole gar nicht mehr ausmachen. Am Ende dann nicht mehr an.

XBU ringdrossel Di, 20.11.2018, 17:18 Uhr

schöner Bericht, Jan!

Allerdings echt schade, dass die Qualität so nachlässt im Laufe des Spiels. Hört sich ein bisschen nach nem Rush-Job zum Ende hin an