
Exklusive Interviewserie mit ZDFkultur-Akteuren - Teil II
Nach dem Interviewstart vor einer Woche, als sich unsere Interviewgäste zum Thema Gaming im Fernsehen geäußert haben, geht es nun mit einem heikleren Themenbereich weiter. Valentina Hirsch, Daniel Fiedler und Andreas Garbe vom Fernsehsender ZDFkultur beantworten Fragen rund um das Thema Gewalt in Videospielen. Den ersten Teil des Interviews findet ihr hier bei uns, Fotos und Infos zu den Dreien gibt es hier. Den dritten und letzten Teil der exklusiven Interviewserie findet ihr hier auf XBoxUser.de in der kommenden Woche.
XBoxUser.de: Gibt es Spiele, über die ihr selber gerne berichten würdet, der Sender es jedoch nicht wünscht, zum Beispiel Spiele mit gewalttätigem Inhalt? Wie geht der Sender mit dem Thema Gewalt in Spielen generell um?
Andreas Garbe: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren sehr intensiv mit dem Thema Gewaltspiele und weiß, dass hier leider viele Falschinformationen in Umlauf sind. Es gibt keinerlei kausale Verbindung zwischen gewalthaltigen Spielen und Gewalt im echten Leben. Mehr noch: Die überwältigende Mehrzahl der Schulattentäter, die leider immer noch oft mit Computerspielen in Verbindung gebracht werden, hat sich für Gewaltspiele gar nicht interessiert. Ich musste hier im Hause allerdings gar keine große Aufklärungsarbeit leisten. Alle Verantwortlichen waren dem Projekt "FTW - For the Win" sehr positiv gegenüber eingestellt und verstehen CounterStrike genauso als ein Teil der Jugendkultur wie andere Spiele oder Unterhaltungsformen. Die wenigen Gewaltspiele, die ich tatsächlich für bedenklich halte (allen voran Postal) sind in Deutschland nie erschienen und spielen deshalb auch keine Rolle. Aber auch in solchen Fällen gibt es beim ZDF keine Scheuklappen für eine kritische, vorurteilsfreie Berichterstattung.
Valentina Hirsch: Weder aktuell noch in der Vergangenheit hat man uns da an die Leine genommen. Den Spiele-Themen für 3sat-neues und auch jetzt aktuell bei ZDFkultur stand man hier immer aufgeschlossen gegenüber. Gerade für solche Themen sind die digitalen Programme des ZDF oder auch 3sat immer schon sehr offen gewesen.
XBoxUser.de: Was glaubt ihr sind die Gründe für die doch mehrheitlich negativen Berichte über Gamer bzw. über die Gamingbranche in TV-Sendungen und welchen Auftrag sehen die Verantwortlichen damit erfüllt, wenn sie diese Sichtweisen an die Zuschauer vermitteln?
Daniel Fiedler: Ich glaube, das ändert sich gerade rasant. Früher gab es kaum positive Berichte über Gaming. Doch in dem Maße wie die Videospielkultur in die Mitte der Gesellschaft rückt und in dem Maße, in dem sie auch ein wirtschaftlicher Faktor wird, so verändert sich auch die Berichterstattung darüber. Wer heute über Medienkompetenz spricht oder schreibt, der meint damit nicht mehr automatisch Schutz von Jugendlichen vor Gewaltspielen. Und auch die monokausale Gedankenkette: Counterstrike-Spieler gleich potentieller Amokläufer wird heute viel differenzierter betrachtet. Wir haben hier sicherlich in den vergangenen Jahren eine Vorreite-Rolle übernommen, in dem wir über das Thema Gewalt in Videospielen anders als üblich berichtet haben. Wir verteufeln nichts und umgekehrt verherrlichen wir ja nichts. Wir nehmen Gamingprodukte als das, was sie sind: Teil der Jugendkultur. Wenn sich die professionelle Art der Berichterstattung weiter verbreitet, ist das ja nur zu begrüßen.
XBoxUser.de: Gerade in den letzten Jahren wurden Videospiele immer wieder mit Gewalttaten in Verbindung gebracht. Warum wird der einfache Lösungsweg, also die Schuld zum Beispiel auf die so genannten "Killerspieler" schieben, in den Medien gerne gewählt?
Daniel Fiedler: Das müssen sie diejenigen fragen, die das so sehen.
XBoxUser.de: Die Alterseinstufungen der USK für Videospiele in Deutschland wird von Gamern vielfach kritisiert. Teilweise seien Einschränkungen bei Spielen für Erwachsene nicht nachvollziehbar, teilweise seien Grenzen nicht eng genug gesetzt worden. Wie seht ihr in einem solchen Vergleich zum Beispiel die Tatsache, dass Sendungen wie Dokumentationen, Nachrichten oder auch Werbung teilweise Inhalte präsentieren, die den verantwortungsvollen Familienvater eher dazu bewegen, das Kind vor dem Fernseher zu entfernen, als bei einen altersmäßig nach USK-Vorgaben ungeeigneten Videospiel?
Andreas Garbe: Deutschland stellt an Spiele die weltweit strengsten Auflagen (zusammen mit Australien). Das finde ich grundsätzlich und besonders in der Diskussion um Gewaltspiele begrüßenswert. Darüber, dass CounterStrike in den meisten Versionen ab 16 Jahren freigegeben ist, entscheidet eben nicht ein Branchenverband. Es sind vielmehr die Kirchen, Jugendbehörden und politische Organe beteiligt. Dadurch werden die Entscheidungen der USK auf breite gesellschaftliche Schultern verteilt und so sollte es meiner Meinung nach auch sein.
Valentina Hirsch: Ich denke auch, dass Deutschland solide aufgestellt ist, was die Altersfreigaben betrifft. Das hat Andreas ja schon kurz zusammengefasst. Man kann sicher über manche Einschränkungen diskutieren: Viele Spieler besorgen sich bekanntlich ungeschnittene Fassungen in Österreich. Aber grundsätzlich sehe ich Deutschland nicht unbedingt extrem benachteiligt.
XBoxUser.de: In jedem Jahr erscheinen Spiele nur geschnitten in Deutschland. Viele Entwickler verzichten sogar auf einen Verkauf in Deutschland, um ihr Produkt vor der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle zu "schützen". Warum wird der Einfluss der Videospiele auf Kinder und Jugendliche in Deutschland besonders und in anderen Ländern weniger stark eingeschätzt?
Andreas Garbe: De facto ist es ja kein Problem, solche Spiele aus dem europäischen Umland zu bekommen. Durch diese Hürde ist aber auch gewährleistet, dass Titel wie Manhunt oder MadWorld nur einschlägigen Fans bekannt sind und nicht zum Gesprächsthema auf Schulhöfen werden. Wer weiß schon, dass es die brutalsten Spiele dieser Generation ausgerechnet auf der Wii gibt? Warum Deutschland im Umgang mit diesem Medium so vorsichtig ist, ist eine schwierige Frage. Generell scheinen mir die Deutschen einen eher kritischen Umgang mit Technik und neuen Medien zu pflegen. Ich habe viele Jahre in England gelebt, und dort sind die Menschen weitaus weniger kritisch im Umgang mit Themen wie Mediengewalt aber auch dem Datenschutz. Dort haben sich schließlich auch neue Systeme wie das Bezahlfernsehen oder Kreditkarten viel schneller durchgesetzt. Deutsche haben hier einfach eine kritische Grundhaltung, scheint mir. Ich möchte das aber nicht werten. Und ich finde, wie schon gesagt, dass die USK in ihrer heutigen Form eine wichtige Funktion erfüllt.
Valentina Hirsch: Es gibt tatsächlich Spiele, da ist es nicht unbedingt ein Verlust, wenn sie hierzulande nicht erscheinen. Sicher könnte man argumentieren, es gehe ums Prinzip. Man muss aber auch mal fragen, was es dem Medium inhaltlich bringt, WENN sie zu haben sind. Natürlich muss man auch Trash und schwierige oder Themen aushalten können. Das Deutschland das kann, hat ja der Preis für Crysis 2 gezeigt. Die Mini-Debatte um die Preisvergabe ist ja im Keim erstickt. Die meisten Spiele, die hier nicht erscheinen, sind die Debatte aber eher nicht wert. Mir fällt jedenfalls keines ein, von dem ich denke, es ist schade drum. Und abgesehen davon kommt man ja doch dran, wenn man möchte. Die Deutschen fragen gerne als erstes nach dem intellektuellen Anspruch. Womöglich geht uns hierzulande einfach ein bisschen das Hedonistische ab. Reine Unterhaltung, und darunter werden Videospiele ja meist einsortiert, wird immer kritisch beurteilt. In anderen europäischen Ländern hat man da weniger Berührungsängste und geht auch mit Themen viel selbstverständlicher um, die hier schnell als Trash ohne Anspruch abgetan werden, beispielsweise Horrorfilmen. Das hat möglicherweise auch historische Gründe.
Quelle: XBoxUser.de
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