
Viele Fans haben sich die Neuveröffentlichung von Shenmue 1 und 2 jahrelang gewünscht und nun ist sie da. Der Klassiker erreicht die neue Generation von Konsolen und erzält somit die epische Saga erneut. Wir haben uns in die gefühlte Zeitkapsel begeben und testen, ob sich der Kauf aus heutiger Perspektive lohnt.
Lang ist es her
Shenmue 1 erschien damals 1999 auf dem Sega Dreamcast-System und bot für die damaligen Verhältnisse eine umfangreiche Welt und ansprechende Grafik. Auch die Finanzierung war laut dem Projektleiter Yu Suzuki ein teurer Meilenstein der Videospielgeschichte. Ganze 48 Millionen USD verschlang die Produktion einst. Und heute?
Viele viele Jahre später erscheint nun endlich das versprochene Remake der beiden Klassiker. Allerdings erfolgt direkt nach dem Einlegen oder dem Download des Spiels die reale Ernüchterung. Befinden wir uns in einer Zeitkapsel? Der Grafik nach zu urteilen schon. Es handelt sich nämlich nicht um ein Remake, sondern um eine Neuveröffentlichung.
Damit haben wir in 2018 dann die prachtvolle Grafik von 1999 mit allen Haken und Ösen. Klar, die Auflösung wurde nach oben geschraubt und angeblich wurde das UI verbessert aber ganz ehrlich, man kriegt schon ein wenig "Augenkrebs" dabei.
Das Problem liegt hierbei nicht nur in den matschigen Texturen und der klobigen Grafik, die dem Original alle Ehre macht. Besonders schwierig ist hierbei auch die Kameraführung. Da das damalige System einfach nicht mit einer modernen Konsole vergleichbar war, hat man dementsprechende Leistungseinbußen gehabt und man hat auf 4:3 anstatt 16:9 gespielt. Somit ist auch der Blickwinkel extrem reduziert. Schwenkt man nun nach links oder rechts, rotiert die Kamera sehr schnell aber wird dann geblockt und auf Ryo zurückfokussiert. Man kann die Kamera also nur ein Stück weit rotieren. Danach snappt sie wieder auf den Charakter. Das ist sehr anstrengend und kann bei Personen mit Motionsickness schnell für Probleme sorgen.
Der Ton ist zudem auch nicht das Gelbe vom Ei. Zwar liegt die japanische und auch die englische Synchro bei, aber die Ton Qualität der Sprecher, der Musik und der Soundeffekte befindet sich ebenfalls noch auf Stand von 1999. Zumindest hier hätte man etwas Geld in die Hand nehmen können und neue Soundsamples der bereits existierenden Aufnahmen anfertigen können. Noch schicker wäre natürlich gewesen, eine komplette Neu-Vertonung der relativ lustlosen Sprecher anzufertigen, aber gut.
Ab ins Bettchen
Ein wesentliches Merkmal der beiden Spiele sind die vielseitigen Zwischensequenzen, die damals wirklich beachtlich waren. Gleich zu Beginn wird auch klargestellt, dass diese einen wesentlichen Teil des Spiels einnehmen. Man startet das Spiel und wartet entspannte 15 Minuten, bevor man überhaupt selber aktiv werden kann. Der Protagonist Ryo Hazuki kehrt nach Hause zurück und darf im Dojo zuschauen, wie sein Vater Iwao Hazuki durch einen Unbekannten ermordet wird. Ein geheimnisvoller Spiegel gab den Ausschlag dafür und die Rache an Iwao selbst.
Dabei wird auch schnell klar, was die Aufgabe von Ryo ist. Herauszufinden, wer denn eigentlich dieser omminöse Fremde war und was hinter dem seltsamen Spiegel steckt. Hierzu muss sich der Sohn ins Dorf begeben und diverse Figuren interviewen. Jederzeit können hier Zwischensequenzen auftauchen, die man mit Quick-Time-Events bestehen kann.
So ganz lansgam findet man dann heraus wo man denn eigentlich hin muss. Das Spiel selbst nimmt einen nicht so wirklich an die Hand und es ist viel manuelles Herausfinden gefragt. Das Ganze wird dadurch erschwert, dass man Tages- und Nachtzeiten hat, die Ryo eingehalten werden müssen. Befindet er sich ab einer bestimmten Zeit nicht zu Hause, wird er kurzerhand dorthin gebeamt und man kann an Ort und Stelle nicht mehr weitermachen. Nervig.
Nette kleine Nebentätigkeiten
Es gibt eine Spielhalle, die tatsächliche damalige Spiele wie Space Harrier und Hang-On enthält, die man dann selbst ausprobieren kann. Diese sind nicht spielentscheident aber tragen zur Atmosphäre bei. Darüber hinaus gibt es einen Haufen kleiner Nebenquests. Unter anderem gibt es in der Nähe des Heims ein junges Mädchen, dass sich heimlich an den Eltern vorbei, um die Versorgung einer obdachlosen Katze kümmert. Hierzu kann man mit dem Geld, das man verdient, Futter kaufen und dieses Kätzchen damit füttern. Solche und andere Nebenquests zeichnen Shenmue aus.
Ein wichtiger Punkt ist auch das Kampftraining von Ryo, welches dafür sorgt, dass die auftretenden Kämpfe erfolgreicher absolviert werden können. Das Training kann er im Dojo oder an geeigneten öffentlichen Plätzen absolvieren. Dabei gibt es neben den Schlägen auch diverse Tritte und sogar Würfe zur Auswahl.
Fazit
Wer nostalgisch unterwegs ist, damals die beiden Originale gespielt hat und mehr vom Gleichen will, wird mit Sicherheit auf seine Kosten kommen. Allerdings gilt das nicht, wenn man beide Titel aus der heutigen Perspektive betrachtet.
Da wäre zum einen die extrem ernüchternde Optik. Man hat sich beste Mühe gegeben, akzeptable aber dennoch matschige Texturen auf die damaligen Modelle zu kleben. Aber so sieht das Ergebnis dann auch aus. Eine mittlere Katastrophe ist leider auch der Ton. Die schlechten Soundsamples wurden leider 1:1 kopiert, anstatt zumindest diese neu zu machen.
Das ist echt schade, denn die Geschichte hat durchaus Potential und entwickelt sich über die Zeit auf eine interessante Art und Weise. Es gibt auch einige Nebentätigkeiten wie diverse Nebenquests oder das Zocken in der Spielhalle, die einen mehr in die Atmosphäre eintauchen lassen.
Wer sich mit den genannten Mankos anfreunden kann, wird ein durchaus unterhaltsames Spiel entdecken, das den Grundstein für moderne Spiele wie die Yakuza-Reihe gelegt hat. Alle anderen nehmen lieber Abstand oder warten auf eine Games with Gold-Version.
Bewertung
Pro
- Interessante Story
- Diverse Nebenquests
- Nette Nebentätigkeiten
Contra
- Grafik wurde einfach von 1999 kopiert
- Sound klingt miserabel
- Angestaubte Steuerung
- Kameraführung kann für Motion-Sickness sorgen
0 Kommentare