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Von Wales Interactive kommt ein neues FMV – ein Full Motion Video Game, also ein spielbarer Film mit abzweigenden Wegen innerhalb der Geschichte. Wir haben den Psycho-Thriller gespielt und sagen euch, warum die Schwächen gegenüber den Stärken leider überwiegen.

Die technisch schwache Umsetzung

Fangen wir mit dem an, was zuerst auffällt, und zwar von der ersten Spielminute an. So ist nämlich die technische und filmische Umsetzung recht schwach. Das erste, was mir persönlich negativ aufgefallen ist, ist die Asynchronität. Warum auch immer schafft man es bei diesem FMV nicht, Ton und Bild synchron zu halten, sodass der Ton eine satte Sekunde zu früh kommt. Das ist furchtbar für die Atmosphäre! Klopft jemand an der Tür, hört man das Klopfen noch bevor die Hand die Tür berührt, Schreie und Sprache fallen durch die Asynchronität ebenfalls negativ auf (es sei gesagt, dass es nur deutsche Untertitel gibt, die Sprachausgabe ist stets auf Englisch).

Abgesehen davon ist die Bild- und Tonqualität insgesamt recht schlecht. Denn die Framerate ist durchweg niedrig, es ruckelt gefühlt ständig. Auch Szenentransitionen sind überhaupt nicht flüssig, oftmals gibt es Tonaussetzer beim Szenenwechsel und besonders abrupt sind sie, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen.

Ein weiteres kleines Manko, das aber nur ab und zu vorkam, ist, dass Quick Resume auf der Xbox Series X nicht immer funktioniert hat. Meistens war es kein Problem, aber ab und an hat das Spiel sich einfach neu gestartet. Das ist natürlich ein wenig ärgerlich, wenn man dann eine Szene nochmal spielen muss, die etwas länger ging, weil es zwischendurch keinen Checkpoint gab.

Klischeebeladene, aber teils spannende Thriller-Story

Die britische Produktion hat sicherlich keine Oscar-Qualität, aber spannende Momente gibt es dennoch. Hauptprotagonistin Kristina, gespielt von Nicole O'Neill, liefert eine gute Leistung und die emotionsreichen Szenen werden glaubhaft umgesetzt – während einige Nebendarsteller wie echte Amateure wirken. Aber besonders am Anfang hat man das Gefühl, dass der Story es etwas an Aufbau fehlt, denn oft geht es zu schnell sofort in die Action hinein, man hat Probleme den Emotionen der Charaktere zu folgen, da man die Backstory nicht kennt und die meist recht stumme Protagonistin auch nicht allzu tief blicken lässt. Hier kommt natürlich auch ein typisches Problem für FMV-Produktionen zutage: Die meisten Szenen werden nicht mehrere Male gedreht, auch wenn sich die Emotionen oder der Charakter der Protagonisten ändern soll, letzten Endes beeinflusst man höchstens Handlungsstränge, aber nicht den emotionalen Verlauf der Person (das wäre viel zu aufwendig in der Produktion).

Allerdings passt alles ein wenig ins Bild. Die wenig teure Produktion, bei der Autokennzeichen ausgeblendet werden, die Kulisse recht banal daherkommt, die Kamera meist zu nah ist, das Licht künstlich und billig wirkt, brilliert insgesamt auch nicht mit einer sehr tiefgründigen oder realistischen Story. Hollywood-mäßig gibt es viele Löcher in der Geschichte, unlogischen Abläufe, viel zu viele Handlungsklischees und keine besonders tiefen Charaktere – es geht mehr um die Atmosphäre. Die wird erreicht, das stimmt, aber es ist oftmals doch sehr klischeebeladen und wie ein simpler Horrorstreifen (ein Fluch liegt auf dem Dorf, in der eine unruhige Seele junge Mädchen heimsucht und sie in den Suizid treibt: „they say a soul that leaves in rage leaves a curse behind“…). Cool ist jedoch, dass – abhängig von euren Entscheidungen – die Story mal eher in die Horror-Geist-Fluch-Sparte und mal in die Psycho-Mörder-Thriller-Richtung geht. So kann es durchaus spannend sein, das Spiel mehrmals zu spielen, verschiedene Wege einzuschlagen und zu sehen, wie sich die Geschichte entwickelt. Wer das Spiel nur einmal spielt, der verpasst nicht nur den Sinn, sondern auch riesige Teile der Geschichte – deswegen bleibt es spannend, sich mehrere Male in die Gefilde der Story zu wagen.

Die kleinen Probleme beim Gameplay

Wenn wir über das Gameplay und die „Steuerung“ des spielbaren Films reden, so müssen wir einige Dinge erwähnen, die nicht ganz rund laufen, obwohl es insgesamt funktioniert und absolut ok ist.

Die Steuerung an sich ist nicht optimal für die Xbox und das Gameplay an sich angepasst. So muss man bei Entscheidungen eine Auswahl (meist aus zwei bis drei Möglichkeiten) mit linkem Stick erst auswählen und dann mit A bestätigen. Es gibt kein Tutorial, welches das erklärt und sinnvoller wäre es gewesen, den verschiedenen Optionen sofort Controllerbuttons zuzuweisen, denn dann müsste man weder erst eine Auswahl hervorheben und sie dann noch schnell bestätigen. Außerdem gibt es das Problem, dass diese Auswahl, wie so oft bei story-beeinflussenden Entscheidungen, zeitlich begrenzt ist, es aber komplett unklar ist, was passiert, wenn man keinen Button drückt. In unserem Test resultierte ein Nicht-Agieren im Zweifel für die Auswahl der ersten Option in der Reihe – sicher sind wir uns aber nicht.

Schade ist der doch teilweise lineare Weg der Story. So gibt es einige Entscheidungen, die nichts bringen, so heißt es etwa „Ach komm, du musst mir vertrauen“ oder „So ist es nicht wirklich passiert“, oder man stirbt tatsächlich beim Auswählen des falschen Weges. Und schon muss man die letzte Szene nochmal spielen und wird zu einer anderen Entscheidung gezwungen (die ist dann eben storyrelevant, aber es enttäuscht ein wenig).

Gut ist, dass man beim erneuten Spielen bereits gesehene Szenen überspringen kann. Das macht es nicht so träge, wenn man die Geschichte in eine andere Richtung bringen will. Allerdings muss man sagen, dass man weder verschiedene Kapitel auswählen kann noch bestimmte Speicherstände haben kann – man muss also jedes Mal von vorne anfangen. Und insgesamt ist ein Durchlauf recht kurz. Ihr werdet weniger als 2 Stunden brauchen, um einmal mit allen gesehenen Szenen durch die Story hindurchzukommen.

Fazit

Wirklich begeistern kann I Saw Black Clouds nicht. Es hat zwar eine recht spannende Story, die vor allem dadurch interessant wird, dass man es immer wieder durchspielt und die Geschichte in eine neue Richtung lenkt, aber insgesamt bietet es zu wenig und ist zu simpel produziert worden. Auf der technischen Seite ist es grausam, dass der Ton stets asynchron ist, die Steuerung ist nicht wirklich gut für die Xbox optimiert, die Entscheidungsmöglichkeiten gering, der Plot sehr dünn. Es handelt sich hierbei um einen fast schon amateurhaft produzierten Film, mit einer einzigen guten Schauspielerin, die aber die teils enttäuschende Story nicht besser macht. Es fehlt letztendlich zu viel an Charakterentwicklung, an Tiefe und Hintergrundinformationen, als dass man emotional mit den Charakteren mitfühlen kann – ja, teilweise kann man sie gar nicht richtig auseinanderhalten, weil so wenig gezeigt wird.

Wer auf FMV steht, wird das hier sicherlich auch cool finden, aber letzten Endes kombiniert das Spiel einen billig gedrehten Horror/Thriller mit banalem und zu simplem Entscheidungs-Gameplay. Das macht es weder zu einem guten Film noch zu einem guten Spiel… Leider.


Bewertung

Pro

  • Teils spannende Story
  • Gute Hauptdarstellerin
  • Komplexe Thematik, die sich mit Suizid und Depression beschäftigt
  • Einige verschiedene Enden
  • Szenen lassen sich beim erneuten Spielen überspringen

Contra

  • Ton und BIld sehr asynchron
  • Teils Ruckler bei Szenenwechsel
  • Recht billige Kulisse
  • Wenig gute Schauspieler
  • Story bleibt sehr flach
  • Steuerung nicht optimal
  • Viele Entscheidungen spielen keine Rolle oder führen in eine Sackgasse
  • Recht kurz

Grafik 7 von 10
7/10
Sound 4 von 10
4/10
Story 6 von 10
6/10
Umfang 5 von 10
5/10
Spielspaß 6 von 10
6/10
Gameplay 5 von 10
5/10
6

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