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Vor 6 Jahren kündigte Ubisoft I am Alive an - war es das Warten wert? Es sollte ein Vollpreistitel sein, ein einzigartiges, bis dato noch nie dagewesenes Survival-Abenteuer, welches den Spieler an all seine Grenzen bringen soll. Dann wurde es ruhig um das Game. Nur noch spärlich bekam man Informationen zum Titel, der im zerstörtem Chicago spielen sollte, bis schlussendlich bekannt wurde, dass man das Entwicklerteam gewechselt hatte, das gesamte Konzept überarbeite, viel weggeworfen hätte - und es jetzt doch ,,nur" ein Xbox Live Arcade Spiel wird. Doch was können wir nun von I am Alive erwarten? Ein in der Jahre gekommenes Survival-Spiel? Eine schlechte Mischung aus Asassins Creed und Prince of Persia? Wir haben I am Alive ausführlich getestet und sind als verletzlicher & namenloser Held durch die Straßen des fiktiven Haventon geirrt. Wir werden euch die Stärken und Schwächen von I am Alive aufzeigen und euch am Ende vor die Wahl stellen...

Düster, Menschenleer, Postapokalyptisch, erdrückend und ein wenig zu kantig erscheint die Optik in I am Alive. Das fiktive Haventon wird permanent von Erdbeben und Sandstürmen heimgesucht und vielleicht bedingt durch die Sandstürme wirkt auch die Grafik ein wenig eingestaubt, was wirklich sehr schade ist. Wir haben zwar in ähnlich großen und hochpreisigen Arcade Games schon detaillierte und brillantere Grafik gesehen, aber dennoch stimmt das Gesamtbild. Auch wenn wir uns wünschen würden, dass die ein oder andere Textur ein bisschen liebevoller gestaltet wäre. Sehr unschön gestaltet wurden leider die Sandstürme, denn anstatt einzelne bewegliche Partikel, die uns und die Stadt bedecken, wirkt der Sandsturm in I am Alive mehr wie ein grobkörniger Filter, der über das Spielgeschehen gelegt wird. Auch die unbewegliche und sehr statische Umwelt lässt die ansonsten sehr schön aufgebaute Atmosphäre ein wenig bröckeln.

Ihr müsst euch vorstellen, dass ihr als Held in einem Sandsturm steht - Ihr könnt euch kaum noch auf den Beinen halten - und der Einkaufswagen 10m vor euch kommt gar nicht auf die Idee, vielleicht mal ein wenig umherzurollen. Als Zyniker könnte man jetzt behaupten, dass in Haventon alles festgenietet und genagelt wurde, damit es sich keine Straßenbanden unter den Nagel reißen, mich stört die ziemlich starre Umgebung doch sehr massiv. Löblich in I am Alive hingegen ist das gelungene Spiel mit Licht und Schatten. Helle Lichtbalken brechen durch die Staubwolken und blenden euch durch extrem starkes und gelbliches Licht - das Feuer wirft sein flackerndes Licht auf eine alte Marmorsäule im Foyer und erzeugt ein wunderbares Spiel aus Licht und Schatten in dieser sonst eher düsteren Apokalyptischen Welt. Dieses Spiel aus Überbelichtung und unsagbarer Dunkelheit funktioniert hervorragend und erzeugt beim Spieler dieses Zwanghafte ,,in der dunklen Ecke könnte etwas sein"-Gefühl.

Die Atmosphäre in I am Alive wird nicht nur durch die beengende Grafik erzeugt, sondern natürlich auch durch die dazu passende musikalische Untermalung. Die englische Sprachausgabe ist vorbildlich, sowohl in der Betonung als auch in der Snychronität. Euer namenloser Held hat die perfekte Stimme - dunkel, ein wenig rau aber dennoch stark beruhigend. Ein Gesamtkonzept, welches zu überzeugen weiss. Einziger negativer Punkt ist die unnötigerweise eingespielte Musik, wenn sich durch übermäßiges Laufen eure Energie stark verringert. Wer sich dieses musikalische Stück gerne einmal in der Dauerschleife anhören möchte, darf sich freuen, denn sobald er mal stärker verwundet wird, geht die musikalische Untermalung erst wieder weg, wenn ein Teil der Gesundheit wieder hergestellt wurde. Auch wenn ansonsten um euch herum nichts Packendes mehr passiert.

Ein namenloser Held in einer Postapokalyptischen Welt mit unglaublich genialen Superkräften hatten wir schon gefühlte tausend Mal. Doch dieses Mal ist es anders! Wir spielen einen namenlosen Helden ohne besondere Fähigkeiten. Ein Typ, wie er jeder von uns sein könnte. Ein stinknormaler Typ, der einfach nur nach Hause will - zu seiner Familie! Zu seiner kleinen Tochter und wunderhübschen Frau. Euer stetiger Wegbegleiter ist euer Camcorder, mit dem ihr die Geschehnisse in unregelmäßigen Abständen aufnehmt und dokumentiert - für eure Familie und die Nachwelt, falls ihr es nicht schaffen solltet.

I am Alive beginnt da, wo wir eigentlich erwartet hätten, dass die Story endet -nämlich im verlassenem zu Hause unseres Helden. Auf dem Spielplatz vor dem Haus hört ihr ein kleines Mädchen nach seiner Mutter rufen. Immer wieder unterbrochen von Husten, welcher durch die Sandstürme verursacht wird. Ihr vermutet euer Kind und sprintet hinterher. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd über eine Hauptstraße und den ein oder anderen Hinterhof stellt ihr fest, dass das kleine Mädchen von 3 weiteren Männern bedroht wird. Natürlich rettet ihr es, müsst aber enttäuscht feststellen, dass es natürlich nicht eure eigene Tochter ist. Dennoch behaltet ihr sie bei euch und gewinnt ab da eine neue kleine Familie in dieser staubigen grausamen Welt.

Leider rückt ab diesem Punkt die Suche nach der eigenen Familie ein wenig in den Hintergrund, denn anstatt euch auf die Suche nach Frau und Kind zu begeben, sucht ihr für den zweiten Begleiter des kleinen Mädchen lieber irgendwelche Radioteile, Batterien und sonstige Kram - und das ohne zu hinterfragen, wofür. Wir hätten uns gewünscht, dass der Held sich weiterhin auf die Suche nach der eigenen Familie fokussiert, denn die gelungene Atmosphäre lässt den Spieler sehr gelungen ,,mitleiden" und erzeugt schon nahezu eine emotionale Bindung.

I am Alive wird den Spieler für Stunden an die Xbox 360 fesseln. Wer wirklich alles erkunden möchte sollte sich wirklich sehr viel Zeit nehmen, denn alleine das normale Durchspielen eines Kapitel dauert zum Teil mehr als eine Stunde. Der Fakt der unglaublich langen Kapitel in Kombination mit den eher ungünstig verteilten Savepoints macht I am Alive zu keinem Spiel, was man mal eben ,,zwischendurch" spielt, denn Savepoints befinden sich jeweils immer nur am Anfang eines jeden Kapitels und mit ein wenig Glück nochmal in der Mitte. Abgesehen von dem Storymodus hat I am Alive allerdings nichts weiter zu bieten. Schade, dass es keinen ,,Survival" Modus gibt, bei dem man sich gegen kleinere Angreifer gruppen verteidigen müsste oder ein Parcours-Modus angelehnt an Mirrors Edge.

I am Alive ist mal etwas erfrischend Neues. Ihr spielt einen Helden, der eigentlich gar keiner ist. Keine Superkräfte und auch keine großartigen Waffen, die ihn zu Bedrohung machen. Nur selten werdet ihr im Verlauf des Spiels mehr als drei Schuss in eurer Pistole haben oder die offene Konfrontation mit euren Gegnern suchen. Vielmehr ist es ein Abwägen und Einschätzen eines jeden Gegners, wenn eine kleine Gangstergruppe euch umstellt, um euch zu töten. Wie viele und wer genau hat eine Schusswaffe? Versucht immer zuerst die Gegner mit Schusswaffen auszuschalten und nutzt dafür den Überraschungsmoment und eure Machete, um keine Munition zu verschwenden. Habt ihr die ,,harten" ausgeschaltet, bedroht die anderen mit eurer Schusswaffe - die müssen ja nicht unbedingt wissen, dass ihr nur blufft!

Abgesehen von diesen ,,Unterzahl-Momenten" bietet euch I am Alive vor allem eins: Jede Menge Kletterspaß. Prozentual gesehen klettert ihr ungefähr 80% der Story durch irgendwelche einstürzenden Häuser, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Die Kletterpartien sind anspruchsvoll und jeder Schritt sollte gut überlegt sein, denn während des Kletterns verbraucht ihr Ausdauer, welche sich nur wieder nach einer kurzen Pause auflädt. Macht ihr keine Pause auf einem kleinen Felsvorsprung oder mit Hilfe der heißbegehrten Kletterhaken, droht ihr abzustürzen aufgrund der Überanstrengung. Ihr müsst also gut mit euren Kräften haushalten und am besten erst überlegen, wie ihr ans Ziel kommt, ehe ihr losklettert.

Insgesamt sind diese zwei Spielaspekte allerdings zu wenig und wirken zu schnell eintönig. Gerade die doch eher langatmigen Kletterpassagen können dem ein oder anderem Spieler schnell den letzten Nerv rauben und ihn zur Aufgabe zwingen, da auch die Motivation im Verlauf des Spiels stark abflacht. Wirklich nervig ist allerdings die Unterscheidung zwischen Savepoint und Checkpoint - stirbt der Spieler und hat keine Wiederholungen mehr, so startet er nicht am letzten Checkpoint, sondern am Savepoint - ungünstig nur, dass die Savepoints sehr rar verteilt sind. Meistens landet der Spieler wieder am Anfang der Episode und darf sich darauf freuen, alles zu wiederholen.

Die Steuerung von I am Alive ist flüssig und intuitiv. Eine Mischung aus Assasins Creed und Shootersteuerung, welche selbst Anfängern sehr schnell in Fleisch und Blut übergeht. Die Kletterbewegung von unserem namenlosem Helden sind realistisch und auch von der Ausführungszeit nicht zu übertrieben - weder zu schnell, noch zu langsam. Insgesamt geht das Konzept von I am Alive sehr gut auf. Man hat, wie oben bereits erwähnt einen gelungenen Mix aus Prince of Persia und Assasins Creed, der einen wirklich hohen Spaßfaktor hat, aber gegen Mitte des Spiels zur Langatmigkeit neigt.

Nüchtern betrachtet ist I am Alive ein Spiel für jeden Spieler, der mal Lust auf ein neues Konzept hat mit einem Helden, der eigentlich gar keiner ist. Realismus, Planung und Haushaltsmanagement mit den vorhandenen knappen Ressourcen ist gefragt. Wer allerdings eher auf das schnelle Gameplay steht und kein Fan von Planung und anspruchsvollen Kletterexkursen ist, sollte von I am Alive eher die Finger lassen. Generell sollte der geneigte Spieler aber zur auf dem Xbox Live angebotenen Demo greifen, ehe er die 1200 Microsoft Points investiert.

Fazit

I am Alive fordert den Spieler und seine Nerven, neigt allerdings ab einem gewissen Punkt zur Wiederholung und Langatmigkeit. Generell ist das Konzept des Survival Spiels aber sehr schön und gelungen umgesetzt worden. Einzig die seltenen Savepoints und die damit verbundene Wiederholung einer gesamten Episode hat einen enorm hohen ,,Nerv-Faktor" und zerstört an schwierigen Phasen den Spaß Faktor.

Optisch Ist I am Alive akzeptabel hat aber auch seine Tücken, wie zum Beispiel der eher störende Filtereffekt bei den Sandstürmen. Insgesamt ist I am Alive ein sehr schöner Arcade Titel, der aufgrund seiner immens langen Story den Spieler für sehr lange Zeit an die Konsole fesseln wird.

Allerdings wirkt der Preis mit den angesetzten 1200 Microsoft Points für mich für zu hoch. Jeder der einen Kauf in Erwägung zieht, sollte vorher einen Blick in die Demo werfen. Entweder man mag das Konzept von I am Alive oder man hasst es. Eine wirkliche Grauzone scheint es hier nicht zu geben.


Bewertung


Grafik 7 von 10
7/10
Sound 7 von 10
7/10
Story 8 von 10
8/10
Umfang 7 von 10
7/10
Spielspaß 7 von 10
7/10
Gameplay 7 von 10
7/10
7