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Andreas Purzer hat im Auftrag von XBoxUser.de ein exklusives Interview mit Thomas Mahler von den MoonStudios geführt. Die MoonStudios sind unter anderem verantwortlich für das vor Kurzem veröffentlichte Xbox One Spiel Ori And The Blind Forest. Hier findet ihr unseren Testbericht zu Ori And The Blind Forest.

Wenn ich richtig informiert bin, hast Du ursprünglich Bildhauerei studiert. Wie war Dein Weg von Skulpturen hin zu Videospielen? Stelle Dich und Deinen Werdegang kurz vor.
Ich habe an der Wiener Kunstschule Bildhauerei studiert. Damals wollte ich einfach einen traditionelleren Background haben - mehr über Kunst an sich lernen, ich wollte Aktzeichnen und wirklich von Grund auf lernen, wie andere Künstler die Sache angehen... Dennoch war ich schon immer an Spielen interessiert und habe immer gehofft, dass ich mal den Weg in die Spieleindustrie schaffe.

Nachdem mein Studium abgeschlossen war, habe ich mir als Freelancer einen Namen geschafft und nachdem ich dann mein Portfolio online gestellt habe kamen Anrufe von allen Seiten... Disney, Blizzard, usw. Das sah ich als meine Chance: Blizzard Entertainment war für mich als Kind / Jugendlicher stets ein Traumstudio. Die Philosophie, dass Blizzard stets nur Qualität produziert und sich das stolz auf die Stirn heftet hat mir extrem imponiert. Ausserdem wollte ich wissen, was deren 'secret sauce' ist... Nachdem ich von Blizzard die Chance bekommen habe, in deren Cinematics Department - was als eines der besten CG Departments auf der Welt renommiert ist - zu arbeiten, habe ich kurzum meine Sachen gepackt und durfte dann an Starcraft 2 mitarbeiten.

Meine Zeit bei Blizzard war mit die produktivste Zeit, die ich je hatte. Ich kannte in Kalifornien relativ wenige Leute, deswegen habe ich einfach stets gearbeitet. Ich kam um 8 Uhr nach Hause und habe dann fast jeden Tag bis 3-4 Uhr Früh weiter an kleinen Prototypen gearbeitet. Das war die Zeit, als Jonathan Blow, The Behemoth, usw. der ganzen Welt gezeigt haben, dass indie games durchaus ein 'echtes' Business sind und so hat sich in mir der Drang manifestiert, auch ein eigenes Studio zu gründen und eigene Spiele zu machen.

Ich habe dann begonnen einige Publisher zu kontaktieren. Microsoft zeigte sich von einem unserer Prototypen, damals noch unter dem Codename 'Sein' bekannt, begeistert und hat uns das beste Angebot gemacht. Und so gründete ich dann zusammen mit Gennadiy Korol Moon Studios.

MoonStudios ist ein virtuelles Entwicklerstudio. Wie darf man sich den "Arbeitsalltag", mit ,,quer über die Welt verstreuten" Kollegen, vorstellen? Welche Vor-/Nachteile gibt es im Vergleich zu einem Studio bei dem alles unter einem Dach versammelt ist?
Als wir Moon Studios gegründet haben, war uns klar, dass wir ein anderes Spiel spielen müssen, als es alle anderen Developer spielen: Wir wollten kein Office an einem einzigen Ort kreieren und auf das lokale Talent dort limitieren. Wir hatten schon ziemlich gute Kontakte und wollten einfach mit den Leuten zusammenarbeiten. Egal, wo auf der Welt jene Talente wohnen.

Wir haben mittlerweile eine ziemlich effiziente Pipeline. Es gibt bei Moon Studios weniger 'Water-cooler-Moments' als bei anderen Studios, da man nicht so einfach zur nächsten Person rüber marschieren und plaudern kann, aber jeder ist natürlich über Skype / Slack, usw. erreichbar. Persönlich sehe ich nicht wirklich Nachteile gegenüber dem traditionelleren Model und die Vorteile überwiegen die Nachteile bei Weitem: Wenn uns ein Portfolio gefällt oder uns jemand mit seinen Arbeiten beeindruckt, wissen wir, dass wir mit der Person zusammenarbeiten können. Und so wollen wir einfach die besten Leute auf der ganzen Welt 'unter einem Dach' vereinen, jedoch ist dieses Dach ein virtuelles :)

Wieviele Leute waren an Ori And The Blind Forest beteiligt und wie lange war die Entwicklungszeit?
Moon Studios besteht aus 9 'Core' Leuten. Zu Stosszeiten haben wir immer wieder Contractors angeheuert und wuchsen dann auf 21 Mitarbeiter. Die gesamte Entwicklungszeit inklusive Pre-Production dauerte ca. 4 Jahre.

Das Spiel hat ein großartiges Artdesign, was sowohl das Storytelling, malerische Grafik als auch den stimmungsvollen Soundtrack betrifft. Offensichtlich orientiert Ihr Euch audiovisuell an aufwendigen Animationsfilmen. Wie wichtig ist Dir der künstlerische Aspekt in Videospielen?
Extrem wichtig. Für mich sind Videospiele einfach eine weitere Kunstform. Schluss, Punkt, Ende. Wir nützen diese Kunstform, um unseren Ideen Ausdruck zu verleihen. Wir wollten in jeder dieser Kategorien 'best of class' content abliefern und generell ein Studio aufbauen, das man als Spieler vertrauen kann. Wenn 'Moon Studios' hinter einem Projekt steht, soll das für Spieler heissen, dass extrem leidenschaftliche Entwickler an dem Projekt gearbeitet haben und an den jeweiligen Projekten solange gearbeitet wurde, bis wir selbst damit komplett zufrieden waren.

Ich sehe in Ori sowohl Anleihen klassischer 2D Plattformer wie Mario, Metroid oder Castlevania aber auch dem Disney Film "Der König der Löwen". Gibst Du mir bei diesen Inspirationsquellen recht und was ist die Idee hinter der Verquickung dieser Elemente?
Wir waren natürlich inspiriert von den genannten Werken. Die Idee war, dass wir uns gewisse Dinge hernehmen und jene analysieren, herausfinden, wie wir sie adaptieren und weiterentwickeln können. Jeder Künstler, ob er's will oder nicht, wird von all den anderen Dingen da draussen inspiriert. Bei Videospielen steht auch Mechanik im Vordergrund und es ist kein Problem, sich gewisse Dinge abzuschauen, vor allem nicht, wenn man den Status Quo nicht akzeptiert und jene Aspekte dann auch noch verbessert.

Ori And The Blind Forest erinnert mich spielerisch im positiven Sinne an die 16bit Ära. Was macht das Spielkonzept auch 2015 noch frisch und interessant?
Das war eine bewusste Entscheidung. Wir sind mit Titeln wie Super Metroid oder Zelda: A Link to the Past aufgewachsen und wollten ein Spiel kreieren, das man in einem Atemzug mit diesen Klassikern nennen kann. Ich denke, was Ori so besonders macht, ist erstmal die Steuerung, was für mich mit die wichtigste Komponente in einem Spiel ist: Fühlt es sich 'richtig' an, wie man den Charakter kontrolliert? Viel zu viele andere Entwickler konzentrieren sich auf die unwesentlichen Dinge... Der Hauptfokus bei Spielen muss immer die Interaktivität sein. Ausserdem wollten wir natürlich eine Welt und Charaktere schaffen, die interessant ist und mit denen man tatsächlich mitfühlen kann. Nachdem wir jetzt überall sehen, wie die Leute da draussen auf unsere Story reagiert haben.... ich denke, wir haben ganz gut gezeigt, dass wir wissen, wie man so etwas aufzieht :)

Ori bietet stellenweise einen knackigen Schwierigkeitsgrad, der auch Hardcorezocker ordentlich fordert. Wie siehst Du die "Casualisierung" aktueller Videospiele, die oft auf schnelle Erfolge und möglichst wenig frustrierende Momente Wert zu legen scheint? Inwiefern muss man sich als Entwickler hier dem Markt beugen um die breite Masse nicht zu verlieren?
Solche Gedanken mache ich mir nicht. im Vordergrund steht für uns, dass sich unsere Spiele sensationell gut anfühlen und der Spieler tatsächlich auch etwas lernen muss: Im Fall von Ori wird man dazu gezwungen, die Steuerung richtig zu beherrschen: Es gibt mittlerweile hunderte Leute, die Ori and the Blind Forest ohne auch nur ein einziges Mal zu sterben durchgespielt haben. Ich denke, das zeigt ganz gut, wieviel Tiefe die Steuerung bietet und das man Ori wirklich perfektionieren kann.

Mein einziger echter Kritikpunkt ist, dass es nach dem Durchspielen durch einen gesetzten Speicherpunkt den "Point of no return" gibt. Dadurch ist die Möglichkeit verbaut, die Welt weiter frei zu erkunden. Bei dieser Art von Spiel für mich eine seltsame Designentscheidung, wie siehst Du das?
Dafür gab es gute Gründe... Wir wollten anfangs Spielern erlauben, in alle Dungeons zurückgehen zu können, aber narrativ und in Sachen Gameplay hat das wenig Sinn ergeben. Nachdem der erste Dungeon, der Ginso Tree, überflutet wurde, hätten wir Spielern erlauben können den Ginso Tree jetzt unter Wasser nochmal zu erkunden, aber wir hatten Resourcen-technisch einfach nicht die Zeit, das gesamte Level nochmal anzupassen, sodass das Level auch als underwater-level funktionieren könnte... Ähnliche Entscheidungen wurden auch bei den anderen Dungeons getroffen.

Ist Ori And The Blind Forest abgeschlossen oder gibt es für Fans die berechtigte Hoffnung auf einen DLC bzw. vielleicht sogar einen zweiten Teil, der die märchenhafte Story weiter erzählt?
Darüber dürfen wir im Moment noch keine Worte verlieren... Wir bekommen täglich dutzende Anfragen bezgl. einem zweiten Teil, was uns natürlich freut. Wir haben bei Moon einige interessante Projekte in der Pipeline... Mal sehen, was kommt! ;)

Ori And The Blind Forest erschien für Xbox One und via Steam für den PC. War es von Vorhinein beabsichtig das Spiel lediglich als digitalen Download zu veröffentlichen?
Wir hätten definitiv auch gerne eine Retail-Version von Ori and the Blind Forest geshipped und wir bekommen auch hierzu ständig Anfragen. Bezgl. Retail macht Microsoft alle Entscheidungen und nachdem Ori ein Hit ist hoffen wir natürlich, dass wir Ori and the Blind Forest auch noch irgendwann in Retaillaeden erspähen können.

Ihr seid ein unabhängiges Entwicklerstudio, habt Euch bei Ori jedoch mit Microsoft als Publisher zusammen getan. Welche Vor und ggf. Nachteile hatte dies? Wäre Ori in dieser Form ohne Microsoft überhaupt möglich gewesen?
Nein, definitiv nicht. Microsoft hat uns von Anfang an unterstützt und uns unseren Freiraum gelassen. Ein Projekt wie Ori and the Blind Forest hätten wir damals nicht alleine finanzieren können. Microsoft hat an uns geglaubt und es war wunderbar, in der Entwicklung soviel Freiraum und gleichzeitig Support zu bekommen.

Österreich und Deutschland sind nicht gerade als das Mekka der Spieleindustrie bekannt. Wie siehst Du die Entwicklerszene bei uns? Was müsste sich ändern damit häufiger international konkurrenzfähige Produktionen auf den Markt kommen?
Österreichs- und Deutschlands-Spieleindustrie ist extrem klein, was enttäuschend ist, immerhin gibt's genügend englische Studios, die auf internationalem Niveau entwickeln, wo auch dementsprechende Budgets finanziert werden. Ich denke, was den deutschsprachigen Ländern helfen kann sind kleinere Indie Entwickler, die den Financiers aller Welt zeigen, dass auch in den hiesigen Ländern genügend Talente verfügbar sind, die das nötige Wissen und Können mit sich bringen.

Abschließend die obligatorische Frage: Wie geht es mit Moon Studios weiter? Arbeitet Ihr bereits an einem neuen Projekt?
Wie schon gesagt, über zukünftige Projekte dürfen wir noch keine Worte verlieren... Wir haben stets kleinere Projekte bei Moon Studios am Laufen. Nachdem Ori and the Blind Forest released und von den Kritikern aller Welt in den Himmel gelobt wurde, haben wir jetzt auch viele Anfragen bekommen. Wir sind schon in Vertragsverhandlungen bezgl. neuen Projekten, aber erstmal geniessen wir die Ruhe vor dem Sturm.

Quelle: XBoxUser.de

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