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Die Grippe hat mich derzeit erwischt und die letzten Tage ausgeknockt. Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen hatte ich bereits, nun kamen am Sonntag noch Fieber und Schüttelfrost dazu. Ich konnte gestern Morgen nicht mehr schlafen und saß vor 6 Uhr morgens am Laptop, als mein Körper zitterte und die Zähne klapperten. Ich konnte noch den Laptop runterfahren und mich wieder ins Bett legen, um dort zwanzig Minuten mit dem Schüttelfrost zu kämpfen. In diesem Moment erinnerte ich mich an einen Urlaub in meiner Jugendzeit, der bereits knapp 30 Jahre her war.

Schweden. Ende der 80er Jahre. Zum zweiten Mal war ich mit einer Jugendfreizeit für Kids zwischen 14 und 18 Jahre in ein Haus mitten im Nirgendwo gereist. Ein großes Haus mit mehreren Gruppenschlafzimmern, wo man mit Luftmatratze und Schlafsack am Boden lag, eine große Küche und ein Aufenthaltsraum mit Tischen und Stühlen für das Essen oder andere Aktivitäten. Dazu gab es extra Haus mit Sauna, ein Volleyballplatz, ein Rasen, auf dem wir Fußball spielten, und Natur. Sehr viel Natur. Wir waren mitten in einem Waldgebiet, der nächste Nachbar konnte in 20 Minuten erreicht werden, bis zum nächsten See waren es 30 Minuten zu Fuß. Ein Nachbardorf mit einer Bank, einem Kiosk und einem Supermarkt war eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt. Mitten im Nirgendwo also oder anders gesagt ein Ort, der für manchen Horror- oder Splatter-Streifen bestens geeignet gewesen wäre.

Statt aber Jason zu spielen, nutzten wir den Ort für viele Freizeitaktivitäten, das absolute Highlight war dabei die Kanutour. Eine Kanutour über zwei Tage, die ich bereits zwei Jahre zuvor mitgemacht hatte. Seinerzeit bei meinem ersten Besuch dort hatten wir Glück mit dem Wetter in Schweden, wir hatten über zwanzig Grad und echtes Sommerwetter (Bild vom 1. Urlaub links). Die Kanutour begann auf einem See und es folgte zwei weitere Seen, bis man abends vor einer Schleuse in einem offenen Holz-Wigwam oder in Zelten übernachtete, um am nächsten Tag die Boote um die Schleuse herumzutragen, Dort ging die Fahrt auf einem kleinen Fluss oder großen Bach weiter, der aufgrund des warmen Wetters wenig Wasser trug, so dass man immer wieder Mal mit dem Boot aufsetzte, aussteigen und es tragen musste, um voran zu kommen. Am Ende der Tour gab es dann noch einen Kampf um die Boote. Ein großer Spaß!

Nun stand die Kanutour im aktuellen Urlaub an und wieder war ich – dann 18 Jahre alt – mit dem gleichen Freund auf der Freizeit unterwegs. Da wir schon die Kanutour kannten und einige Neulinge dabei waren, bat man uns, uns zu trennen und je ein Mädchen in die Zwei-Mann-Boote aufzunehmen. Zwei Freundinnen wurden getrennt und aufgeteilt. Mein Freund bekam die kleine, zierliche Person. Ich bekam „Godzilla“.

Kinder und Jugendliche können gemein sein. Klar, Erwachsene auch, aber bei den meisten Menschen setzen ja irgendwann mal Funktionen wie Respekt, Anstand oder Taktgefühl ein. Dinge, die Kindern oft abhandenkommen. Und so hatte das Mädchen, welches alle anderen in Größe und Breite überragte und auch nicht von besonders hübschem Antlitz heimgesucht war, den „Spitznamen“ Godzilla bekommen. Und ich bekam eben Godzilla in mein Boot.

Wer nun meinte, dass die kräftigere Statur auch zu kräftigeren Paddelbewegungen führte, der irrt. So paddelte und lenkte ich also die recht ungelenke, ungeschickte und recht schwere Person über die Drei-Seen-Platte. Als ob das Unterfangen an sich nicht schon eine Herausforderung gewesen wäre, so war in diesem Jahr der Sommer nicht nach Schweden gekommen. Statt Sonnenbrand bei 25 Grad auf dem See brauchten wir diesmal auch die Regenjacken und es war extrem windig, die See somit sehr unruhig. Es war ein anstrengender Kampf gegen die Wellen für die Kids und im Nachhinein muss man sich fragen, ob die Aufsicht richtig entschieden hatte, mit uns auf die Tour zu gehen. Aber wir paddelten und ich lag mit meinem Boot meistens weit zurück.

Als wir den Übergang vom zweiten in den dritten See nahmen, wurde das Gewässer durch die enger werdende Seebreite, das extreme Wetter und das Auftreten von Wellen des einen zum anderen See sehr unruhig. Die Boote schaukelten extrem und so kam es, wie es dann kommen musste, wenn man Angst bekommt und unerfahren ist: Das Mädchen, was wir (gemeinerweise) Godzilla nannten, warf vor lauten Angst ihr Paddel weg, schrie und krallte sich mit beiden Händen an einer Seite des Bootes fest. Die gewichtsmäßige Überlegenheit dieser Bootseite konnte ich als schmächtiges Kerlchen nicht ausgleichen und so kippten wir um. Geistesgegenwärtig drehte ich im Wasser angekommen sofort das Boot wieder und warf unsere Beutel mit Kleidung rein, ein Einsteigen in dieses Boot war aber nicht mehr möglich.

Von den anderen Booten – nicht zu vergessen auch mit Jugendlichen, die ebenfalls schon total abgekämpft und zudem etliche Meter voraus waren – übernahm ein Boot das leere Boot von uns. Ein weiteres Boot kam zurück und ich half „Godzilla“ und schob sie aus dem Wasser ins Boot. Da für mich erstmal kein Platz war, band mich der Betreuer an seinem Boot fest. Und ich erinnere mich noch genau, dass auch er mit einem zierlichen, kleinen Mädchen fuhr, die nicht gegen die Wellen ankam und ich im eiskalten Wasser, am Boot mit einem Tau festgekettet zweimal das Boot gegen die Wellen wegdrücken musste. Es vergingen über zwanzig, vielleicht dreißig Minuten, bis mein Freund an Land das eine Mädchen abgeladen hatte und zurück kam, um mich zu holen. Dafür heute noch mal ein Danke Olav!

Alleine konnte ich mich nicht mehr ins Boot hieven, aber ich wurde reingezogen und vom anderen Boot ausgeschoben. Über meinen unterkühlten und zitternden Körper hatte ich keine Kontrolle mehr, aber einen Satz brachte ich noch über die Lippen und dieser war: „Scheiße, meine Luckies sind nass!“. Interessant, dass in so einer Situation erstmal die Raucherutensilien, die ich damals noch benötigte, abgecheckt werden (Bild vom 2. Urlaub und etwa eine Raucher-Pause vorm Kentern). Der Spruch war auch Jahre später noch ein Kalauer.

An Land angekommen, standen alle parat, ob Mädchen oder Jungs, alle halfen, meine Klamotten auszuziehen und jeder spendete Anziehsachen, da meine Ersatzsachen nicht mehr zu gebrauchen waren. Es gibt sicherlich angenehmere Momente, splitterfasernackt vor dem anderen Geschlecht dazustehen, aber da ich keine Kontrolle über meinen Körper mehr hatte, war mir das auch egal. Glücklicherweise kannte man damals noch keine Smartphones, Facebook oder YouTube, stattdessen half man Anderen einfach. Man brachte mich zu einem Haus, was in der Nähe lag. Die Leute ließen uns rein und gaben uns Decken. Da habe ich übrigens eine wichtige Sache gelernt, wenn man unterkühlt ist: Wärmen durch Kleidung, Decke oder Körperwärme ist ok, aber das aktive „Rubbeln und Reiben“ sollte man unterlassen, weil man so dem Körper wichtige Energie zum Schutz der inneren Organe entzieht.

Anschließend wurde ich in ein Krankenhaus gebracht, kam an einen Tropf und wurde noch näher untersucht und die Körper-Temperatur war deutlich unter 36 Grad gefallen, aber glücklicherweise war nichts Schlimmeres passiert, außer dass ich viele Tage Nierenschmerzen hatte und im Urlaub nicht mehr so aktiv sein konnte. Das Mädchen, das mit mir im Boot war, war nur kurz im Wasser, schnell an Land und konnte sich schnell umziehen, ihr ging es gut und sie entschuldigte sich mehrmals bei mir. Kann passieren, shit happens.

Tja, und so brachte mich der Schüttelfrost gestern plötzlich auf den Urlaub in Schweden Ende der 80er Jahre, als ich unterkühlt und ohne meinen Körper kontrolliert bewegen zu können, aus dem See gestiegen bin. Jahrzehntelange vergessen, nun wieder eingefallen. Verrückte Welt.

P.S.: Als ich die Idee hatte, die alten Bilder dazu zu suchen, hatte ich einen Lachflash nach dem anderen ;)

Quelle: XBoxUser.de

8 Kommentare

XBU MrHyde Mo, 22.02.2016, 17:43 Uhr

Ja, das ist doch herrlich, wenn man so einen Anreiz bekommt, und selber an die alten Zeiten denkt. Ich hab mich echt weggeschrien, als ich dann die Bilder gesehen habe. So als Möchtegern-Cooler mit der Kippe... ahaha... nee, herrlich.

Ich glaube, wir brauchen mal einen... so habe ich Früher-ausgehen-Thread mit alten Fotos ;) - das blöde ist - was die Jugend von heute ja gar nicht mehr kennt - die Bilder sind analog :smt003 - musste die also erstmal suchen und scannen...

XBU Buttercup Mo, 22.02.2016, 15:50 Uhr

Meeehr Fotos!

Liutasil Mo, 22.02.2016, 15:46 Uhr

Haha, geiler Beitrag und ich fühle mich definitive in Zeiten von Jugendfreizeit und Klassen Ausflügen zurück versetzt. Anbei Gute Besserung....mich erwischt es gerade auch wieder. :(

moDSta Mo, 22.02.2016, 15:42 Uhr

Schön geschrieben. Ich musste das ein oder andere Mal richtig grinsen, als ich es gelesen habe. Dieses Mal musstest du dich wenigstens nicht splitterfasernackt präsentieren. :smt003 Wünsche dir noch mal gute Besserung! (y)

XBU FloNÄ Mo, 22.02.2016, 14:33 Uhr

Ja da fragt man sich selber was man sich dabei gedacht hat :smt003
Das schöne ist aber, dass das wohl jedem mal so geht ;)
Macht aber schon auch Spaß alte Erinnerungen aufleben zu lassen

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