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Sega macht weiter mit ihren Dreamcast-Neuauflagen. Recyceltes schmeckt halt manchmal doch ganz gut. Und so erleben jetzt Fans eine Xbox Live Arcade Version von Jet Set Radio, einem der beliebtesten Dreamcastspiele überhaupt. In dem futuristischen Inlineskate-Spiel gilt es in Tony-Hawk-Manier Tricks zu vollführen, Graffitis zu sprühen und der Polizei zu entkommen. Wir haben uns das 12 Jahre alte Spiel angeschaut und berichten euch in unserem Review, wie es sich auf der Xbox 360 schlägt.

Es ist irgendwie faszinierend. Durch den Comic-Look, den Jet Set Radio bereits im Jahre 2000 hatte, wirkt das Spiel optisch auch jetzt noch sehr aktuell. Der Cell-Shading Look war damals ganz neu und andere Spiele (Vergleich: Tony Hawk's Pro Skater), versuchten eher die realistischere Variante. Die Comic-Grafik steht neuen Arcadetiteln aber nicht nach und überzeugt als HD-Version mit etwas glatteren und runderen Konturen als noch im Jahre 2000. Die knallbunte und abgedrehte Welt von Jet Set Radio ist gut dargestellt und der Schauplatz Tokio-tô ist in seiner speziellen Atmosphäre sehr authentisch. Das Spiel lebt von lustigen Comics, Zwischensequenzen und abwechslungsreicher Farbgebung, welches den Comic-Look stets beibehält. Hier und da wünscht man sich zwar vielleicht noch ein paar Details mehr (insbesondere die Gebäude der Levelgrenzen könnten noch etwas ausgeschmückter sein), doch irgendwann verliert es dann auch seinen Retroflair, wenn man zu viel neu macht. Insgesamt macht die Grafik einen durchaus bodenständigen Eindruck - auch wenn sie verbesserungswürdig bleibt.

Auch im Soundtrack ist der Lack noch dran. Die quirlige Mischung aus J-Pop, Funk, Trance, Rock und Hip Hop macht das Spiel zu genau dem was es ist: Einem knallbunten, japanischen, aber durchaus sympathischen Erlebnis. Positiv ist, dass alle Songs bis auf einen ihren Weg in die Xbox Live Arcade Version gefunden haben. Schade aber, und das mindert ein wenig den Charme der Portierung, dass man ein paar Songs aus dem direkten Nachfolger (Jet Set Radio Future) nur im Menü anhören, aber nicht in die direkte Gameplay-Playlist mit aufnehmen kann.
Die Soundeffekte sind gut, genauso wie der Rest der Geräuschkulisse. Ob ratternde Panzer, verfolgende Polizisten, Autos oder sonstiges - insgesamt macht das Spiel auch hier vieles richtig. Aber das Alter ist dem Spiel durch seine manchmal etwas leere Umgebung anzusehen. Das macht sich dann auch im Sound bemerkbar, wenn man teilweise nur die Musik - und sonst keine Nebengeräusche - hört. Übrigens als Vorwarnung für alle, die sich das Spiel oder die Demo herunterladen: Das Spiel ist LAUT, sehr laut sogar (im Vergleich zu anderen Spielen oder dem Dashboard). Dreht also eure Boxen etwas runter, bevor ihr von der Musik weggepustet werdet. ;)

Das Spiel hat sogar eine Story! Denn im Gegensatz zum Gameplay vergleichbaren Tony Hawk's Pro Skater (welches ebenfalls 2000 erschien), verbindet eine Geschichte die verschiedenen Aufgaben. Allerdings ist auch die so abgedreht, wie der Rest des Spiels. Oder wie wollt ihr normaldenkenden Westeuropäern erklären, warum ihr gerade mit verschiedenen Inline-Skatern in Tokyo rumturnt, um Graffitis im Auftrag der Anarchie zu versprühen, von der Polizei flüchten müsst, aber gleichzeitig die Erde vom Untergang bewahren müsst?! Schwierig - aber durchaus unterhaltsam. Das Spielprinzip basiert sich dabei auf dem standardmäßigen ,,Mache viele Tricks", ,,Besprühe dies und das", ,,Lasse dich nicht von der Polizei erwischen", das so viele Extremsport-Spiele kennen. Heute nicht mehr neu, damals aber durchaus ein kleiner Meilenstein bezüglich der Diversität der Aufgabenstellung.

Was ihr für euer Geld bekommt? Einiges an Spielspaß... so lange ihr gut genug seid, den kompletten Umfang freizuschalten. Einige Charaktere z.B. sind richtig schwer freizuschalten, da ihr perfekte Läufe hinlegen müsst. Seid ihr aber gut, so könnt ihr viele Levels, viele verschiedene Charaktere (mit unterschiedlichen Stärken) freischalten und somit eine lange Zeit Spaß haben... allerdings alleine. Denn das schmälert den Eindruck des Spiels auch wieder: Man kann nur alleine spielen. Das war auch auf dem Dreamcast so, allerdings hätte man sich ja für die Neuauflage was einfallen lassen können.

Nett ist, dass man in der Bonusabteilung Songs von Jet Set Radio Future anbietet und ihr euch ebenfalls ein Making Of von Jet Set Radio anschauen könnt. Einziger Nachteil hier: Es gibt keine Pausefunktion! D.h. entweder schaut ihr es euch am Stück an... oder gar nicht.

Jet Set Radio kann einen anfixen... muss aber nicht. Mir persönlich hat es Spaß gemacht, aber es gibt einige Spaßverderber, die einem so manchen Stein in den Weg legen. So sind die Ladezeiten auf der Xbox 360 noch genauso lang, wie auf dem Dreamcast, der Sound hat bei Zwischensequenzen oder beim Freischalten eines Erfolges extreme Ruckler und ein Storylauf muss am Stück abgeschlossen werden. Besonderes letzteres erweist sich teilweise als echt frustrierend. Schwierige Levels, in denen es viel Polizei gibt, nerven, weil man ganz am Ende des Laufes scheitert und dann die kompletten 10-15 Minuten Spielzeit wiederholen muss... um nur wieder an der gleichen Stelle zu scheitern. Eine einzelne  Aufgaben-Wiederholung oder ein gescheites Speichersystem gibt es auch 2012 nicht. Schade. Mich persönlich hat die auftretende Polizei im Spiel auch etwas gestört. Ich spiele solche Spiele lieber ungestresst und in Ruhe. Aber ständig umherzufahren, um den bewaffneten Feinden zu entfliehen... nicht ganz mein Ding. Aber es versetzt das Spiel unter einen gewissen Handlungsdruck und man ist ständig mit Adrenalin vollgepumpt.

Aber die Glanzmomente beim einfachen Gameplay sind die, wo man zum ersten Mal die Spielphysik verstanden hat und z.B. ein Level nur durch Grinden, Wallrides und Sprünge überbrückt, ohne jemals seine Kombo zu unterbrechen und auf dem Boden zu landen. Hier ergeben die später wahnsinnig konstruiert erscheinenden Level plötzlich Sinn und machen unheimlich Spaß. Seid ihr bereit, euch darauf einzulassen? Wer komplett auf Internethilfe verzichtet (um zu schauen, wie man welchen Level am besten spielt, welche Line man am besten fährt), wird es teilweise sehr hart haben und frustriert seinen Controller in die Ecke schmeißen.

Jet Set Radio spielt sich vorerst wie ein vereinfachtes Tony Hawk: Fahrt auf Inline Skates umher, springt und grindet. Ihr müsst für Tricks oder das Grinden keine besondere Taste drücken. Springt auf ein Geländer und grindet automatisch; habt genügend Geschwindigkeit, springt hoch und vollführt automatisch einen zufälligen Trick. Doch das Gameplay ist in anderer Art hin komplex: Entkommt von der Polizei, versucht eure Kombo möglichst lange aufrecht zu erhalten (ihr könnt ja eigentlich nur springen und grinden) und sprayt eure Graffitis! Letzteres ist eine nette Auflockerung für das normale Gameplay. Ihr müsst dazu im Level verteilte Spraydosen aufsammeln, an eine geeignete Stelle hingehen und die Graffitis der anderen Gang übersprühen. Dies erfolgt über ,,Quicktime-Events" mittels des linken Analogsticks. Einige kleinere Graffitis könnt ihr auch im vorbeigrinden besprühen.

Insgesamt ist das Gameplay simpel - erfordert aber relativ schnell viel Übung. Besonders die Kombos sind am Anfang nicht so einfach. Frustriert nicht, wenn ihr es nicht schafft, das Tutorial abzuschließen... Dieses verlangt nämlich am Schluss (ohne Angabe von Tipps oder dergleichen) eine Kombo von 50 Tricks. Gar nicht so einfach... wenn man das System nicht kapiert, dass man den Boden nicht berühren darf, mit Wallrides und phänomenal großen Sprüngen im Kreis den Level abgehen muss. Ohne Hilfe werdet ihr lange daran sitzen. Außerdem muss die Steuerung auch erst einmal ins Blut übergehen, bevor ihr so große Aufgaben bewältigen könnt.

Fazit

Jet Set Radio spielt sich 2012 in HD eigentlich genauso wie im Jahre 2000 auf dem Dreamcast. Optisch wurde die Sache ein wenig abgerundet, der Sound ist gewohnt peppig und cool. Die Atmosphäre stimmt einfach und der Cell Shading Look macht auch heute noch eine gute Figur. Geschmälert wird der erste Eindruck eigentlich erst beim intensiven Spielen. Denn der Einstieg ist einfach, doch schnell merkt man, dass Jet Set Radio bezüglich des Gameplays gute Fingerfertigkeit und Einfallsreichtum verlangt.

Der Schwierigkeitsgrad wird im späteren Spielverlauf ziemlich hoch und überfordert den Casual Gamer von heute locker. Wer sich aber in die Spielmechanik hineingräbt, kann durchaus eine Menge Spaß haben, denn der Levelaufbau ist durchdacht und das Gameplay ist immer fair - nur selten gibt es Bugs oder Glitches. Wer allerdings auf die langen Ladezeiten, teilweise fehlenden Speichermöglichkeiten und das doch einfach Gameplay verzichten kann, der sollte warten, ob der Nachfolger Jet Set Radio Future nicht ein Re-Release bekommt. Denn dieser bügelt die Schwächen des ersten Teils aus und ist dadurch viel unterhaltsamer. 800 MS Points sind knapp 10 EUR... Es bleibt die Frage, ob euch das ein gut 12 Jahre altes Spiel mit seinen bekannten Macken wert ist. Oder ob man doch seinen Dreamcast wieder rauskramt und die heimischen Flohmärkte auf der Suche nach dem Original abklappert...


Bewertung


Grafik 8 von 10
8/10
Sound 8 von 10
8/10
Story 8 von 10
8/10
Umfang 7 von 10
7/10
Spielspaß 8 von 10
8/10
Gameplay 7 von 10
7/10
XBU-Silver-Award
8