BVB überzeugt mit altem System und alten Tugenden
Van Marwijk: "Wollte Mannschaft Sicherheit geben"
[29.10.] Dieser BVB hat Spaß gemacht! 90 Minuten lang Engagement, schnelles Überbrücken des Mittelfeldes, heraus gespielte Torchancen und ein spätes Happy-End durch das Ausgleichstor von Tinga in der 87. Minute. Borussia Dortmund hat beim 1:1 in Nürnberg die wohl beste Leistung der Saison geboten. Trainer Bert van Marwijk nannte zwei Gründe: "Herr Watzke hat mit seinen klaren Worten für Ruhe gesorgt, und ich wollte der Mannschaft mit der Rückkehr zum 4-3-3-System zusätzliche Sicherheit geben."
Im 4-3-3-System hat der BVB in der Rückrunde der Saison 2004/2005 die erfolgreichste Halbserie der Vereinsgeschichte gespielt, im 4-3-3-System war Borussia trotz Verletzungssorgen in der vergangenen Spielzeit konkurrenzfähig und verpasste die Teilnahme am internationalen Geschäft nur knapp. Mit der Umstellung auf ein 4-4-2 wollte man den nächsten Schritt gehen. Nach guten Ansätzen in der Vorbereitung und guten Resultaten in der Liga aber rutschten Trainer und Mannschaft mit dem 1:1 gegen Bochum, dem dritten nicht gewonnenen Heimspiel in Folge, in die Krise.
Schon im Pokal, beim unglücklichen 0:1 gegen Hannover, experimentierte der Coach in Sachen Taktik, ließ Smolarek mal auf der "10" im Mittelfeld, aber auch als Außenstürmer spielen. In Nürnberg folgte konsequenterweise die Rückkehr zum 4-3-3-System. Ob es von Dauer sein wird, ließ van Marwijk unbeantwortet.
Tabellensituation:
Mit 13 Punkten liegt der BVB momentan auf Rang sieben, wird aber am Sonntag Abend noch von Aachen oder Bielefeld, den beiden kommenden Heimgegnern, verdrängt. Auch Stuttgart könnte mit einem Sieg gegen Schalke vorbeiziehen. Platz drei ist jetzt drei Punkte entfernt, mit Rang fünf ist Borussia (momentan) weiter punktgleich.
Statistik zum Spiel:
Erst zum zweiten Mal in dieser Saison hatte der Gegner mehr Ballbesitz, diesmal sogar deutliche 61 Prozent. Dennoch war es ein insgesamt ausgeglichenes Spiel, in dem der BVB bei den gewonnenen Zweikämpfen (55%) und den Torschüssen (18:16) vorne lag. Alex Frei war an acht der 18 Dortmunder Torschüsse als Vorlagengeber (fünf Mal) oder als Ausführender (drei Mal) beteiligt. Dede hatte mit 62 die meisten Ballkontakte, Tinga war mit einer Quote von 79 Prozent zweikampfstärkster Spieler auf dem Rasen.
Stimmen & Hintergründe:
Der Trainerfrage folgt die - viel angenehmere - Systemfrage. Hans-Joachim Watzke, der am Donnerstag demonstrativ den Schulterschluss mit Bert van Marwijk geübt hatte, äußerte sich nach dem Spiel in Nürnberg sehr diplomatisch: "Der Trainer entscheidet, welches System gespielt wird; das ist ganz allein sein Thema. Wenn Bert van Marwijk sich für ein 4-3-3 entscheidet, finde ich das immer gut. Dann sind wir ein wenig flexibler. Grundsätzlich gilt aber: Das beste System ist ohnehin das, mit dem wir gewinnen."
Nun sprang gestern kein Dreier heraus, vielleicht aber ein mindestens ebenso wichtiger Sieg für die Moral. "Wir steigern uns von Spiel zu Spiel, und wir kommen wieder dahin, wo wir gewesen sind", meinte Philipp Degen, der nach dem verursachten Elfmeter vom Trainer nicht kritisiert, sondern direkt an der Seitenlinie aufgemuntert worden war. Auch das sind neue Töne im zuletzt strapazierten holländisch-schweizerischen Zusammenleben.
"Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir können noch viel besser spielen", attestierte Christian Wörns. Und Roman Weidenfeller sagte: "Wir haben sehr viel investiert und sind für unsere Laufarbeit belohnt worden. Jetzt müssen wir wieder Ruhe in den Verein hineinbekommen und zu alter Stärke zurück finden." - "Absolut", pflichtete Watzke bei und lobte die "gute Ordnung. Insgesamt haben wir sehr engagiert gespielt. Das war auswärts zuletzt in Cottbus auch der Fall. Diesmal haben wir aber auch guten Fußball gespielt. Deshalb bin ich sehr froh". Valdez: "Mit dieser Einstellung werden wir noch viel erreichen!"
Ob dies im 4-4-2- oder im 4-3-3-System mit drei Angreifern sein wird, bleibt offen. Van Marwijk war jedenfalls gut beraten, das zuletzt unter schwacher Form der Protagonisten leidende Mittelfeld um eine Planstelle zu kürzen und keinen der drei vor Ehrgeiz und Einsatz sprühenden Angreifer auf der Bank zu lassen. "Am Anfang war es nicht so leicht", sagte Ebi Smolarek, "doch danach lief es besser. Wenn man mit drei Stürmern spielt, muss man torgefährlich sein. Wir haben das ein paar Mal ganz gut gemacht, oftmals haben wir die Situation jedoch nicht ausgenutzt." Nelson Valdez, der in der ersten Halbzeit an allen Torchancen beteiligt gewesen war, merkte an: "Das 4-3-3-System ist anstrengender für mich. Aber daran werde ich mich gewöhnen."
Man wird frühestens nach dem Heimspiel-Doppelpack gegen Bielefeld und Aachen die Frage beantworten können, ob der BVB nach einem Viertel der Saison die Trendwende geschafft hat. "Wir haben schon gegen Hannover eine gute Reaktion gezeigt, aber das ganze hat natürlich viel mehr Wert, wenn auch das Ergebnis gut ist", betonte van Marwijk, der nochmals darauf hinwies: "Wir müssen vier, fünf neue Spieler einbauen. Außerdem fehlen zwei absolute Leistungsträger praktisch die gesamte Saison. Und hinzu kommt die Umstellung der Organisation. So etwas geht nicht vom einen auf den anderen Moment."
Quelle : www.bvb.de